1815, 11. September.


Mit Sulpiz Boisserée

Begegnet mir Goethe in der Fahrgasse, maulaffend. Er nimmt mich mit, wir gehen in das Münster, ins Conklave u.s.w. Der üble geringe Eindruck des Gebäudes in der Jugend wird ihm begreiflich. Wir wandern durch die Messe am Main; alle Landschaften werden bedacht, die ihre Produkte und Waaren hieher senden. Freude, daß die Welt, das Leben für Bedürfnisse sich immer gleich bleiben. Ein Trost für die Seelenwanderer. [229] Wir kamen endlich zum Krahnen. Goethe fragte nach allen Kisten und Fässern, was darin sei; wandte sich an einen jungen Schiffer, der war von Linz, sprach ganz kölnisch; wir wanderten unter die Bäume, wo der Wein gelegt zu werden pflegt, und dann nach Hause.

Es kommt die Rede auf die Zeichnungen von Cornelius, Overbeck und andern bei Wenner, die ich sehen soll, da fehle an allen etwas. Im jetzigen Zustand der Kunst sei bei vielem Verdienst und Vorzügen große Verkehrtheit; die Bilder von Maler Friedrich können eben so gut auf den Kopf gesehen wer den. Goethes Wuth gegen dergleichen; wie er sie ehemals ausgelassen, mit Zerschlagen der Bilder an der Tischecke, Zerschießen der Bücher u.s.w.; er habe sich da nicht erwehren können, mit einem Ingrimm zu rufen: das soll nicht aufkommen! und so habe er irgend eine Handlung daran üben müssen, um seinen Muth zu kühlen. Ich erinnere an Jakobi, Woldemar u.s.w. Goethe: »Ja deßwegen haben die Hamburger, die Reimarus und Consorten, mich nie leiden können, immer nur gesagt, ich sei ein scharfsinniger Mensch, habe dann und wann gute Einfälle.« Der Reimarus'sche Theetisch sei im Privatisiren ein Stichwort der Weimarer Heiden. Ich bemerke, es seien in Frankfurt viele Kunstsammlungen, mehr als ich gedacht, und bei so viel Leben, Handel und Bewegung ließe sich da wohl auch eine schöne Wirksamkeit für uns denken. Goethe meinte dagegen, [230] wir müßten durchaus nach Köln, auch ließe sich in solchen Dingen allein mit einer monarchischen Regierung was rechtes ausrichten.

Er zeigt mir seine Ansicht der altdeutschen Kunst und Behandlung derselben, in einem Beispiel an der Darbringung im Tempel von Eyck. Hier ist die Tradition Unterlage, wirkt gleichsam als Folie, in dem Gemüthlichen, Natürlichen und Vernünftigen, welches alles mit der höchsten Fertigkeit und Talent in Nachahmung der Natur und Behandlung der Farbe verbunden ist. Das Bild befriedigt die Forderung des Natürlichen, Gemüthlichen, Vernünftigen; die Tradition tritt zurück und dient als bloße Folie.

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