1830, 31. Januar.


Mit Friedrich Soret
und Erbgroßherzog Karl Alexander

Besuch bei Goethe in Begleitung des Prinzen. Er empfing uns in seinem Arbeitszimmer.

Wir sprachen über die verschiedenen Ausgaben seiner Werke, wobei es mir auffallend war, von ihm zu hören, daß er den größten Theil dieser Editionen selber nicht besitze. Auch die erste Ausgabe seines ›Römischen Carneval‹, mit Kupfern nach eigenen Originalzeichnungen, besitze er nicht. Er habe, sagte er, in einer Auktion sechs Thaler dafür geboten, ohne sie zu erhalten.

Er zeigte uns darauf das erste Manuscript seines ›Götz von Berlichingen‹, ganz in der ursprünglichen Gestalt wie er es vor länger als funfzig Jahren auf Anregung seiner Schwester in wenigen Wochen geschrieben. Die schlanken Züge der Handschrift trugen schon ganz den freien klaren Charakter, wie ihn seine deutsche Schrift später immer behalten und auch noch jetzt hat. Das Manuscript war sehr reinlich, man las ganze Seiten ohne die geringste Correktur, sodaß man es eher für eine Copie als für einen ersten raschen Entwurf hätte halten sollen.

Seine frühesten Werke hat Goethe, wie er uns sagte, alle mit eigener Hand geschrieben, auch seinen ›Werther‹; doch ist das Manuscript verloren gegangen. [195] In späterer Zeit dagegen hat er fast alles dictirt, und nur Gedichte und flüchtig notirte Pläne finden sich von seiner eigenen Hand. Sehr oft hat er nicht daran gedacht, von einem neuen Product eine Abschrift nehmen zu lassen; vielmehr hat er häufig die kostbarste Dichtung dem Zufall preisgegeben, indem er öfter als einmal das einzige Exemplar, das er besaß, nach Stuttgart in die Druckerei schickte.

Nachdem wir das Manuscript des ›Berlichingen‹ genugsam betrachtet, zeigte Goethe uns das Original seiner ›Italienischen Reise‹. In diesen täglich niedergeschriebenen Beobachtungen und Bemerkungen finden sich in Bezug auf die Handschrift dieselbigen guten Eigenschaften wie bei seinem ›Götz‹. Alles ist entschieden, fest und sicher, nichts ist corrigirt, und man sieht, daß dem Schreibenden das Detail seiner augenblicklichen Notizen immer frisch und klar vor der Seele stand. Nichts ist veränderlich und wandelbar, ausgenommen das Papier, das in jeder Stadt, wo der Reisende sich aufhielt, in Format und Farbe stets ein anderes wurde.

[196]

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