1817, Januar (?).


In der Probe zum »Schutzgeist« von Kotzebue

Mit besonderem Interesse leitete Goethe die Proben der Körner'schen Trauerspiele »Rosamunde«, welches am 14. September, und »Zriny«, welches am 12. October 1816 zum ersten Male gegeben wurde. Nächstdem war es »Der Schutzgeist« von Kotzebue, zum ersten Male am 1. Februar 1817 gegeben, der seine Thätigkeit sehr in Anspruch nahm. Auf der Probe dazu wurde ihm eigentlich wenig recht gemacht, besonders war es der Schauspieler Deny, mit dem er sich diesmal nicht verständigen konnte. Deny hatte im Hintergrunde zu erscheinen, einige Worte in die Coulisse zurückzurufen und dann die Schwelle einer nach hinten offenen Halle zu überschreiten, um in die vordere Scene zu treten. Als er seinen Auftritt in der geschilderten Weise ausgeführt, erklang Goethes Stimme: »Das macht sich nicht gut! Sie treten zu rasch in die Erscheinung; das Publikum muß erst auf Sie aufmerksam werden, damit Ihre Worte ihm nicht entgehen. Überschreiten Sie deshalb erst mit dem rechten Fuß die Schwelle, dann wenden Sie sich zurück und rufen die Worte!« Deny wiederholte nun seinen Auftritt, verfiel aber, der Schwelle nahe gekommen, in einen trippelnden Schritt, um den Augenblick des Überschreitend richtig zu treffen. Wieder ertönte aus der Parterreloge [273] ein: »So geht das nicht!« worauf Deny entgegnete: »Es ist schwer, Excellenz, gerade mit dem richtigen Fuße an die Schwelle zu kommen; wenn ich es so machen soll, wie Excellenz wollen, so muß ich die Schritte genau abmessen und zählen.« – »Gut, thun Sie es!« war die Antwort. – Deny nahm nun zunächst die angegebene Stellung über der Schwelle ein und zählte dann von da ab die Schritte bis zu einem Punkte hinter der Coulisse, der gezeichnet wurde. Darauf ging er halblaut zählend, von neuem vor und löste das Problem zu des Meisters Zufriedenheit.

In derselben Probe war es, wo Goethe nochmals mit Bewegungen Deny's nicht einverstanden war. Vielleicht hatte dieser sich über das Vorhergegangene etwas geärgert: er traf trotz mehrfacher Versuche die Meinung Goethes nicht und äußerte, er wisse nicht, wie er es machen solle. »Nun warten Sie! ich werde es Ihnen zeigen,« – erwiderte Goethe und kam auf die Bühne. Ich war in hohem Grade gespannt. Der Meister trat an Deny's Stelle und frug zunächst den Souffleur nach den Worten. Dann begann er: »Also sehen Sie! wenn Sie sagen« – (zum Souffleur:) »wie waren doch die Worte? – Kann nicht verstehen! – Nun ja! Sie treten dabei einen Schritt vor – So! dann – wie sagen Sie jetzt? Na, lassen Sie nur! Vormachen kann ich es Ihnen nicht;« – wobei ein Lächeln über sein Gesicht flog – »ihr Schauspieler versteht das besser. Aber ich will es Ihnen noch einmal erklären.« [274] Deny sprach nun, Goethe begleitete die Worte mit einigen Bewegungen und die Scene verlief endlich zu seiner Zufriedenheit.

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