Vor 1805.
Mit Carl Ludwig von Knebel
In den Mittheilungen des Herrn Dr. Vulpius: »Über das Stammbuch von August v. Goethe« (Deutsche Rundschau, 1891, Bd. LXVIII, S. 244) heißt es: »Die Großmutter selbst hat es verstanden, durch einen der sinnigsten Einträge das Stammbuch zu schmücken (S. 164):
Da hieraus dem Wortlaute nach leicht der irrthümliche Schluß gezogen werden könnte, das Distichon stamme von Frau Rath selbst, sei daran erinnert, daß Karl Ludwig von Knebel der Verfasser ist. Es steht mit sehr geringer Veränderung in seinem literarischen Nachlaß Band I, S. 95, unter: »Lebensblüthen in Distichen«, und heißt dort:
Seine Entstehung verdankt es einem heiteren Beisammensein Goethe's, Knebel's und einiger anderer Jenenser Freunde im Hause des botanischen Gartens zu Jena. Während eine lebhafte Unterhaltung die Geister völlig in Anspruch genommen hatte, war draußen der erste Schnee gefallen. Plötzlich bemerkte Goethe das überraschend veränderte Bild, und von dessen Schönheit mächtig ergriffen, schlug er vor, Jeder solle ein Gedicht darauf machen. Knebel trat an das Fenster, blickte eine Zeit lang sinnend hinaus über den Garten, das Thal, zu den Bergen – überall dieselbe blendend weiße, weiche Hülle von frisch gefallenem Schnee. Er nahm ein Blatt Papier zur Hand und schrieb das erwähnte Distichon nieder, und Goethe, der Andere so [41] gern anerkannte, war so entzückt davon, daß er ausrief: »Knebel, für dieses Distichon gäb' ich einen Band meiner Werke hin!«
Die Enkelin Knebel's, der wir das Obige verdanken, schreibt uns dazu: »Diese kleine Episode aus dem Leben meines Großvaters habe ich in meiner Jugend oft und immer genau in derselben Weise erzählen hören, sowohl von meinem Vater als auch besonders anschaulich und lebendig von dem verstorbenen Dr. Theophilus Bayer in Jena, der als Hauslehrer des jüngsten Sohnes K. L. v. Knebel's Jahre lang in dessen Hause lebte und bis zu seinem Tode ein Freund der Familie blieb. Ich kann deshalb für die Wahrheit des Mitgetheilten einstehen.«
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