1822, 8. August.
Mit Joseph Sebastian Grüner
Als ich Goethe Abends besuchte, kam er wieder auf seinen Lieblingsgegenstand, die Farbenlehre. Er erörterte die Mühe, den Kostenaufwand, welche er beharrlich auf diesen Gegenstand verwendete, und sagte ganz gelassen: Er sei allein auf der Erde, der sagen könne er habe Wahrheit. Nachdem Goethe noch Einiges [189] hinzugefügt, sagte er: »Ich muß Ihnen doch die vortreffliche Ode Manzoni's auf den Tod Napoleon's vorlesen; ich habe versucht, so gut ich konnte, sie deutsch wieder zu geben.«
Welch' ein Lesen! Er war wie in einem verklärten Zustande, dabei ganz ergriffen, das Feuer blitzte aus seinen Augen, die richtigste Betonung eines jeden Wortes und Ausdruckes ergriffen auch mich, und wie er zu Ende war, folgte eine Pause. Wir sahen einander an, ich konnte in seinem Antlitze, und er mochte in dem meinigen Begeisterung lesen. »Sie sollen sie morgen haben,« sagte er endlich; »nicht wahr, Manzoni ist ein großer Dichter?«
Ich wünschte, versetzte ich, daß er beim Vortrage dieser Ode zugegen gewesen wäre; wenn er auch nicht deutsch verstehen möchte, würde er doch durch den begeisterten Vortrag Eurer Excellenz sich gewiß ausgezeichnet belohnt gefühlt haben.
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