a.

Nun laß mich Dir [Dr. Schmitz] von Goethe erzählen; daß er volle vierzehn Tage bei uns [den Brüdern Boisserée] gewohnt hat, wirst Du wissen, daß wir aber durch diesen längern Umgang, der in jeder Hinsicht sehr lehrreich und erfreulich für uns war, sein ganzes Vertrauen erworben und ein sehr enges Verhältniß mit ihm geknüpft haben, weißt Du noch nicht. Es ist die Rede davon, über unsere Sammlung, über unser Bemühen um das altdeutsche Bauwesen, und über die Art und Weise, wie wir dazu gekommen, eine eigene kleine Schrift zu schreiben. »Ei der Teufel« (sagte er mir mehrmal), »die Welt weiß noch nicht, was Ihr habt, und was Ihr wollt, wir wollen's ihr sagen, und wir wollen ihr, weil sie es doch nun einmal nicht anders verlangt, die goldenen Äpfel in silbernen Schalen bringen; wenn ich nach Haus komme, mache ich ein Schema, das schicke ich Euch, damit Ihr Eure Bemerkungen dazu machen und sehen könnt, was für Materialien mir allenfalls noch abgehen, die schickt Ihr mir, die Redaction behalte ich, und es müßte seltsam zugehen, wenn wir nicht etwas recht Schönes zu Stande brächten; es ist schwer, so was zu schreiben, aber ich weiß den Weg ins Holz, laßt mich nur machen, um Ostern komme ich wieder,[144] dann bringe ich es mit, und ist's Euch recht, so lassen wir es bei Mohr und Zimmer drucken.«

Ich theile Dir hier nur das Resultat, und zwar recht in Bausch und Bogen mit; denn sonst hätte ich Dir so viel zu schreiben, daß ich nicht fertig würde, Du kannst Dir nun das Übrige ziemlich denken. Um recht zu begreifen, welchen gewaltigen Eindruck unsere Bilder auf den alten, rüstigen Freund gemacht haben, mußt Du wissen, daß er nie einen Johann van Eyck, und überhaupt außer Cranach und wenige Dürer keine altdeutschen Bilder gesehen hatte. »Ach Kinder,« rief er fast alle Tage aus, »was sind wir dumm, was sind wir dumm! wir bilden uns ein, unsere Großmutter sei nicht auch schön gewesen; das waren andere Kerle als wir, ja Schwernoth! die wollen wir gelten lassen, die wollen wir loben und abermals loben! Die verdienen, daß Fürsten und Kaiserinnen, daß alle Nationen kommen, und ihnen huldigen!« – Jeden Tag, nur einige, wo wir uns mit dem Bauwesen beschäftigten, ausgenommen, war er morgens um acht Uhr im Bildersaal und wich nicht von der Stelle, bis zur Mittagszeit, da wurde dann alles besprochen, und mußten wir ihm alles Geschichtliche und unsere Ansichten und Bemerkungen sagen, wogegen wir die seinigen hörten. Er war mit unsrer ruhigen, philosophisch-kritischen Betrachtung der Kunstgeschichte sehr zufrieden, und ich kann sagen, daß ich über den Gang der Kunstgeschichte recht viel von ihm gelernt habe. So wie wir jetzt mit einander stehen, [145] denke ich noch manches von dem alten Meister zu lernen, besonders im Schreiben; ich habe schon mit ihm darüber gesprochen, und ich werde ihm nächstens den Entwurf zu einer Abhandlung schicken, damit er mir seine Bemerkungen macht.

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