1796, December. (?)


Mit Christoph Martin Wieland

Neulich im Club.. gerieth Wieland in einen liebenswürdigen, mit etwas Possirlichkeit untermischten Eifer, daß die jungen Leute so viel Thee tränken, da doch Thee offenbar schwäche.

[26] Goethe (mit aufgehobenem Rockschooß am Ofen stehend und mit vorstrebender Brust sich hin und her bewegend): Da irrst Du, Herr Bruder; Thee stärkt. 1

Wieland: Wieder ein Paradoxon!

G.: O, ich habe Gründe dafür genug und satt.

W.: Um nur mit meinem schwächsten Argument anzufangen –

G.: Das thue ja nicht, Herr Bruder, um's Himmelswillen nicht! Immer die stärksten voraus! Ich habe mich verzweifelt ausgerüstet.

W.: Also erstlich wirst Du nicht läugnen können, daß trotz aller Deiner Sophisterei aufgekochte Kräuter von schädlicher Natur und laues Wasser –

G.: Also der Thee schwächt, willst Du sagen?

W.: Ja, doch ich –

G.: Also, der Thee stärkt, sag' ich.

W.: Und schwächt nicht?

G.: Stärkt und schwächt.

W.: Stärkt und schwächt?

G.: Wie jedes Corroberans zu häufig genommen; man stärkt sich zu sehr.

W.: Aber das Gift darin.

G.: Es giebt kein Gift.

W.: Ein neues Paradoxon?

G.: Alles kommt auf die Dosis an. Auch Champagner kann Gift werden.

[27] W.: Am Ende wird der Sophist noch gar behaupten, wir stürben nicht.

G.: Ei, das lassen wir so bleiben.

W. (weggehend): Das wird zu toll!

G. (ihm nachrufend): Geh nur, Alter! Sonst provocire ich auf unsre Unsterblichkeit und Du hast verloren.


Note:

1 In der Vorlage offenbar irrig: »schwächt.«

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