1821, 2. September.


Mit Joseph Sebastian Grüner

Auf dem Wege dahin [- nach Franzensbad -] betrachtete Goethe den Wolkenlauf. »Sehen Sie« sagte er, »wie sich jene gegen Osten wieder auflösen«; er gab der Wolke auch einen Namen, den ich wieder vergessen habe. Kann man, fragte ich, schon bestimmte Resultate aus dem Wolkenlaufe ziehen?

Goethe antwortete: »Bisher hat sich bloß der Engländer Howard darauf gelegt; ich glaube, daß, wenn die Beobachtungen durch viele Jahre ernstlich fortgesetzt werden, auch dieser Sache etwas abzugewinnen sei.«

Wir kamen zur Louisenquelle, an deren nordöstlichen Seite die Sprudelquelle in einen kleinen Ständer gefaßt ist. Sprudelquelle wurde sie wegen des gewaltigen Aufwallens des Gases genannt.

Sehen Eure Excellenz, sagte ich, wie geistreich der kleine Mann neben Marie Luise sieht.

[119] »Geistreich,« erwiederte Goethe, »war er wohl in hohem Grade, wenn er nur auch in Grenzen wie hier geblieben wäre.«

Ein bayrischer Gelehrter, erzählte ich, hat nach Anblick der Louisen- und Sprudelquelle ein hübsches lateinisches Gedicht auf Marie Louise und Napoleon verfaßt, welches ich, wenn Eure Excellenz erlauben, nach unserer Zurückkunft zur Einsicht vorlegen werde. Mit dieser Louisenquelle hat es übrigens eine besondere Bewandtniß. Zum Baue der Fassung derselben wurden Sachverständige ans Prag und Bilin herbeigezogen, welche längere Zeit damit sich beschäftigten, und den Stadtrenten einen Kostenaufwand von 18000 Gulden zufügten. Allein diese Herren waren noch auf dem Rückwege, so stürzte das Gebäude zusammen, dennoch mußten die Renten 300 Gulden Diäten an sie bezahlen. Der hiesige Zimmermeister hat unter Leitung des ärarischen Straßencommissars die Fassung schnell und mit wenigen Kosten bewerkstelligt, und den Sprudel oder die Napoleonsquelle von der Louisenquelle getrennt. Diese Vorbedeutung ist in Wirklichkeit übergegangen.

Darauf Goethe: »Nach der Schlacht von Leipzig fiel ohne bekannte Veranlassung sein Bild vom Nagel in meinem Zimmer herab; was sagen Sie dazu?«

Wenn wir noch, antwortete ich, in den finsteren abergläubischen Zeiten leben möchten, so würden wir es für ein Zeichen des Himmels halten müssen, da sonst [120] der Geburt und dem Tode großer Männer solche Zeichen vorangingen, und wer möchte Napoleon nicht unter die größten Männer zählen, die je die Erbe getragen hat. Wenn ich hier die Sprudelquelle neben der Louisenquelle ansehe, denke ich mir Napoleon getrennt von seinem Sohne auf der Insel Helena, wie er hier eingeengt innerlich lebt, ohne die Grenzen überschreiten zu können. Nur ein großer Geist vermag in solcher Lage standhaft zu bleiben. Indeß seine Haft sollte ihn unschädlich machen, Millionen Menschen sind durch ihn geopfert worden.

Goethe: »Lassen wir gute Wirkungen von dieser Sprudel- oder wie Sie meinen Napoleonsquelle für die Menschheit hervorbringen.«

Hierauf fuhren wir nach Eger zurück.

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