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An Amalie von Levetzow

Die Fortsetzung meines letzten Blates war gleich zu jener Zeit geschrieben, indessen da ich jetzt wieder darnach suche hat es sich verlegt, wahrscheinlich weil ich es zu gut aufhob. Doch da es nur enthält was ich täglich und stündlich in Gefühlen und Gedancken wiederhole, so ist dies als kein Verlust anzusehen und läßt sich leicht wieder herstellen.

Und so will ich also nur zu dem lieben Familienblatte zurückkehren, das mir gar manchen einsamen Winterabend Gesellschaft leistete. Ich zündete ein paar Lichter mehr an, nahm es vor Augen und fühlte mich jederzeit in Ihre Mitte versetzt.

[100] Da segnete ich denn jenen glücklichen Gedancken, oder vielmehr das reine Gefühl, das Ihnen eingab sich dem lieben Blate zu beschäftigen, und mir, in der Überzeugung daß ich einen herzlichen Ausdruck Ihres gemeinsamen Wohlwollens gar wohl durch meine treue Anhänglichkeit verdient, einen solchen Beweis zukommen lassen. Gewiß ich fand mich dadurch oft unter Ihnen, wohin ich mich stets wünsche, und wiederholte das Erfreuliche was mir drey Sommer in Ihrer Gegenwart und Umgebung zu Theil geworden.

Mich, an vergangnen 28 August, in Dresden zu erwarten war eine Ahnung vollkommen richtig; denn der Gedancke, zu Tag und Stunde dort einzutreffen, stand auf dem Punckte in Vorsatz überzugehen und nur die vielfachen Verhältnisse, die mich an jenem Orte hin und her gezogen, und zwar nicht zerstreut doch in Unruhe versetzt hätten, konnten mich abhalten einen Schritt zu thun von dem ich mir das Allerliebste zu versprechen hatte.

Nun aber thu ich wohl am Besten von dem wunderlichsten aller Unfälle zu schweigen den ich mir gerade durch ein herzlich danckbares Zaudern zuzog. Ich muß mich einer unschuldigen Schuld schuldig bekennen. Es ist mir nicht leicht etwas empfindlicheres begegnet.

Möchte Sie gegenwärtiges in gutem Befinden und freudigen Zusammenseyn glücklich antreffen, und [101] das schöne Strasburg sich um Sie durch manche lustige Winterunterhaltung recht verdient gemacht haben. Dabey darf ich aber wohl gestehen daß mich die schwanckende Gesundheit der guten Mutter in einiger Sorge läßt, die sich noch verstärcken würde wenn ich die Werthe nicht so gut und treulich umgeben wüßte.

In einiger Zeit wird eine kleine Sendung von Genf, durch Vermittlung des Blick zu empfangen bitte. Giebt sie Anlaß daß ich abermals einige Zeilen von der werd ich mich sehr glücklich schätzen.

Unter tausend Grüßen

treu angehörig

Weimar d. 3 Febr. 1825.

J. W. v. Goethe.

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