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An Carl Victor Meyer

Ihre Sendung, mein Theuerster, erkenne ich dankbar und erwidere sogleich wohlgesinnt Folgendes: Die Frage, wie Sie es zunächst mit Ihren Studien, mit Ihrem Aufenthalt einrichten sollen, kann ich nicht direct entscheiden und beantworten; gehen Sie mit sich selbst und Ihrem Herrn Vater zu Rathe.

In Berlin, wenn Herr Rauch hinweggeht, bleiben Ihnen die Herren Tieck, Wichmann und wie manche Männer, deren Namen ich nicht kenne, deren Gegenwart ich aber bey großen dortigen Anstalten vermuthen muß; Sie kennen den dortigen Gang, haben Verhältnisse, und was sonst auch auf's Leben sich beziehen mag, ist Ihnen klar geworden. Wozu sich noch gesellt, daß Sie auch dort in Bezug auf [154] Gesundheit Ihren Einstand gegeben, also auch dem Klima, und was dazu gehören mag, Ihren Tribut abgetragen haben.

Es ist nun wohl die Hauptfrage: ob Sie, als ein junger rüstiger Mann, der zwar südlichen, aber mancherlei klimatischen Einflüssen ausgesetzten Hauptstadt Bayerns sich anvertrauen wollen? Das, was dort zu schauen, zu lernen, zu gewinnen ist, dürfte wohl auch für den Künstler von der größten Bedeutung seyn. Indem Sie Ihren bisherigen Lehrer dorthin begleiten, bleiben Sie in Ihrem vortheilhaften Studiengang, und was Sie dort unter den Händen des Meisters entstehen sehen, ist von der Art, daß es vielleicht im Leben Ihnen nicht wieder zur Erfahrung kommt.

Sie sehen hieraus, daß ich mich neige, Sie in München zu wissen; aber bereden Sie das mit Herrn Professor Rauch, berathen Sie es mit Ihrem Herrn Vater, ich gebe nur meine Ansichten; die Entscheidung gehört der Einsicht, dem Gefühl derjenigen, die es zunächst angeht.

Für die übersendende Abdrücke danke zum schönsten, ich habe das Glück, sie in meiner Sammlung bey ihren Verwandten niederlegen zu können.

Aufrichtig theilnehmend

Weimar den 10. Februar 1829.

J. W. v. Goethe. [155]

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