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An Johann Ladislov Pyrker
[3. April 1820.]
Gleich nach erhaltener Tunisias, nicht weniger bey Empfang des geneigten Schreibens würde meinen Dank abgestattet haben, wenn ich nicht auch gewünscht hätte, über ein Werk, welchem der Verfasser so viele Jahre gewidmet, ein auslangendes Wort sagen zu können. In solchen Fällen mag ich gern die Zeit abwarten, wo mir ein ländlicher Aufenthalt bey der Betrachtung länger verweilen läßt; ich besehe mir erst den Gegenstand, untersuche was ihm der Verfasser abgewonnen, was er ihm verliehen, beschaue mir Anlange und Ausführung, in wie fern sie nach bekannten Mustern und Formen etwa gebildet, oder ob der Verfasser nach einem einigen System gearbeitet, nach welchem er denn auch beurtheilen seyn will. Dieses alles zu entwickeln und nicht sowohl ein Urtheil als eine Darstellung der Arbeit zu geben, ist mein Wunsch den ich so oft es mir möglich war zu realisiren gesucht. Allein die Zeit ist flüchtig, die Kräfte mäßig, der Aufgaben viele und mich daher oft in Verlegenheit, mit dem besten Willen in Rückstand zu bleiben. Möge dieß zu meiner Entschuldigung dienen, wenn ich auch gegenwärtig nur meinen allgemeinen[226] Dank ausspreche für das Wohlwollen und Zutrauen das mir die Sendung Ihres Gedichtes bezeugt; hiebey entsage der Hoffnung nicht, sobald ich den ästhetischen Studien näher treten kann als es mir gegenwärtig erlaubt ist, auch Ihrem Gedicht die verdiente Aufmerksamkeit zu widmen und darüber meine Gedanken zu eröffnen.
[Weimar den 2. April 1820.]