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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Ew. Hochwohlgeboren

haben von jeher auf das freundlichste meinen Eigenheiten nachgesehen und sind denselben mit besonderem Antheil jederzeit entgegenkommen. Sollten Sie auch gegenwärtig lächlen, daß ich dieser Sendung einige Wichtigkeit beylege, so wird Ihr schöner Aufsatz, den ich immer, wie unter meinen Papieren, so in Gedanken verwahre, mich genugsam rechtfertigen. Es mußte mir des Nachdenkens werth scheinen, daß, wenn dort der aufgelöste Organismus sich als Verstäubung manifestirt und schon mitunter als zellige Faser erscheint, derselbe hier um den entseelten Körper einen zusammenhängenden Nimbus bildet und alle Verstäubung sich zu einem Continuum ordnet, und zwar in derselben Maaße, wie sie vorher elastisch abstoßend in einem leichtern Element wirkte, hier in einem dichtern vollkommen zusammenhängend erscheint.

Man mag so gern das Leben aus dem Tode betrachten und zwar nicht von der Nachtseite, sondern von der ewigen Tagseite her, wo der Tod immer vom Leben verschlungen wird.

Sollte dieß einfache Präparat auch nicht so glücklich zu Ihnen kommen, um zu fortgesetzten mikroskopischen Untersuchungen dienen zu können, so findet sich vielleicht die gleiche Erscheinung noch in diesem [173] Spätjahr; denn es war zu Anfang Septembers, daß ich sie gewahr geworden. Auf alle Fälle wünschte ich, daß Sie diesem gesteigerten Phänomen dieselbe Aufmerksamkeit wie jenem erstern freundlich gönnen möchten. Leider darf ich nur mit flüchtigen Blicken in die lebendige Natur, wo ich so gern sonst meinen Aufenthalt nahm, mich hinauswenden und mich an dem, was Freunde leisten, erquicken und aufrichten.

Hiebey die Abschrift von Doctor Pohls Aufklärung über die Raiz preta; wahrscheinlich fehlte sie dem letzten Briefe, da ich nicht immer für die Accuratesse meiner Hauscanzley stehen kann.

Fernere Nachsicht und freundliche Theilnahme mir erbittend.

unwandelbar

Weimar den 27. September 1826.

J. W. v. Goethe.

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