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An die Landräthe und Deputirte von Ritter- und Landschaft der Herzogthümer Mecklenburg zum Engern Ausschuß
[Jena den 9. October 1819.]
Wenn körperliche Beschwerden mich schon oft im Leben an wünschenswerthem Genuß Theil zu nehmen verhinderten; so ist der gegenwärtige Fall gewiß einer der empfindlichsten, da ich mich von einem so herrlichen Fest unwiederbringlich ausgeschlossen sehe. Eine traurige Empfindung hat mir daher Ew. Hochwohlgeboren freundlichste Einladung erregt; denn ich wäre derselben, in Hoffnung günstiger Aufnahme, gewiß zuvor gekommen, wäre ich nicht abermals genöthigt gewesen, bey der Carlsbader Quelle eine für künftigen Winter vorbereitende Hülfe zu suchen.
Indem ich nun jene geneigte Einladung dankbarlich anerkenne; so versichere zugleich, daß mir das Programm der Festlichkeiten, der Rundgesang und die dem Gehalte so wie der Form nach kostbare Denkmünze zum größten Vergnügen gediehen.
Sey es mir nunmehr, da ich des kurz Vergangenen mit Freuden erwähne, auch noch erlaubt, für das höchst schätzbare Vertrauen während der ganzen Verhandlung meinen verpflichteten Dank abzustatten und [59] folgende Bemerkung hinzuzufügen, aufgeregt durch die ehrenvolle Erwähnung meines willig- und treuen Antheils.
Weder der ausführende Künstler noch der berathende Kunstfreund sollen sich zu viel dünken, nicht wähnen, irgend ein Werk aufzustellen, das, unter jeder Bedingung, ausschließlich Beyfall verdienen könne; aber ihre Pflicht ist, dahin zu sehen, daß ein bedeutendes Monument mit einer längst erprobten ästhetischen Denkweise zusammenstimme und zugleich den Anforderungen der Gegenwart zusage.
In unsrem Falle konnte bey der schlichten und tüchtigen Denkweise des Meisters sehr bald eine Übereinkunft getroffen werden, welche sich hoher und höchster Billigung zu erfreuen hatte.
Ein edles Vertrauen, die Vermittlung des Herrn Cammerherrn von Preen würden alles beseitigt haben, wenn sich auch irgend etwas von schwankender Meinung, Ungewißheit, Hinderniß und Verspätung hätte in den Weg drängen können. So begünstigt steht nunmehr, wie ich wohl überzeugt seyn darf, das Monument da – einem älteren zuverlässigen Sinne gemäß, nicht fremd dem gegenwärtigen Augenblick, der Zukunft ehrwürdig.
Und so enthalte ich mich nicht hinzuzufügen, daß die alte Rede sich auch hier wieder bewahrheite: daß eine schnelle Gabe für doppelt gelte; denn es gereicht gewiß den Unternehmenden und Anordnenden zu Ehren [60] und Vergnügen, daß dieses Standblid noch bey Lebzeiten des Helden aufgerichtet worden, als das erste, welches den Morgen des vaterländischen Glückes begrüßt; nicht weniger bedeutend ist es, daß der Geburtsort des außerordentlichen Mannes die Veranlassung giebt, wornach jetzt und künftig andere Landesbezirke mit gleichem Eifer zu verfahren sich bestreben werden.
Ist es mir nun schließlich erlaubt, den Blick auf meine eigene Zustände zurückzuwenden und zu betrachten, daß jenem herrlichen Nationalfeste ein Tag zunächst folgte, der mir von großer Bedeutung ist; so muß ich mich freuen, einigermaßen verdient zu haben, daß Ew. Hochwohlgeboren dabey mein gedenken und die schönsten Gaben in diesen Sinne, zu dieser Epoche mir verleihen wollen. Und sollte ich hierin die obere Fügung verkennen, die mir ein solches Glück seit langen Jahren wunderbar genug vorbereiten?
Möge der Anblick des erhabenen Standbildes nur von Zeit zu Zeit bey dortigen Gönnern und Freunden mein Andenken aufregen!
Hochwohlgeborne,
hochverehrte Herren,
Dero gehorsamster Diener
J. W. v. Goethe.