42/174.
An Johann Heinrich Meyer
Aus dem Lieberischen Briefe geht abermals praktisch hervor was wir von den Mißverhältnissen der Künstler und Kunstgenossen in Dresden überall theoretisch und leider allzugenau wissen. Von hier aus werden wir in dieser Angelegenheit wenig einwirken können, denn bis ein Brief dorthin kommt hat sich schon alles wieder geändert.
Übrigens werden Ihro Königliche Hoheit der Großherzog einige Tage in Dresden verweilen, ohne an den tieftrauernden Hof zu gehen, und werden also Personen und Sachen und Angelegenheiten durchaus mit eignen Augen sehen und gewiß das Förderlichste einleiten und vergnügen. Hiervon meldet Lieber wahrscheinlich das Umständliche ohne weitere Aufforderung, welches wir denn wohl zu erwarten hätten.
Wollten Sie ihm den sogenannten Poussin schicken, so geben Sie Schuchardten den nöthigen Auftrag; ich [200] weiß nicht, ob das Bild noch in meinem Hause steht oder ob es wieder zu Ihnen gekommen ist. Es wird sich überlegen lassen, ob es, ohne auf eine Holzrolle gewickelt zu seyn, in einem Kasten zu transportiren ist, den man doch auf jeden Fall dran wenden muß.
Ein beschädigtes Bild auf Kreidegrund ist mir nicht bekannt, es wird ja wohl dergleichen bey einem dortigen Gemäldetrödler zu finden seyn.
Haben Sie die Gefälligkeit mich überall auf's beste zu empfehlen, und überlegen wie wir uns einmal wieder umständlicher sprechen können. Da ich eben höre, daß Sie, wie voriges Jahr, bey'm Garteninspector wohnen, so komme ich wohl einmal aus dem Stegreif angefahren.
treulichst
Goethe.