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An Silvie von Ziegesar

Ob ich schon, liebste Silvie, früher als heut keinen Brief von Ihnen hoffen konnte; so war ich doch ungedultig und wünschte mir oft zu wissen wie es Ihnen ergehe. Desto erfreulicher war mir's als Ihre freundlichen Blätter den Weg so geschwind zurückgelegt hatten. Es sind die ersten aus jener Gegend die ich so bald erhalte.

Nun statt des Dancks meine Geschichte. Die ersten Tage begriff ich nicht warum ich von Franzenbad weggegangen? warum ich nicht bis den Sonntag geblieben? Hernach erneut ich meine Geschäfte und ganz [126] unerwartet kam ein alter Freund, mit dem ich in Rom gelebt, einige Tage mit mir zuzubringen, so brav, so tüchtig, so liebevoll und so wunderlich wie sonst. Es traf gar vieles zusammen, das uns an die vorigen Zeiten erinnerte, das heiße Wetter und meine Heiterkeit, die er in Zwischenzeiten an mir nicht gewohnt gewesen. Wir schieden und ich wendete meine Bemühen besonders Morgens an Gegenstände die Ihnen, hoffe ich, auch Freude machen sollen. Abends war ich viel mit Fr. v. Eibenberg und machte mir abermals Vorwürfe daß ich Sie beyde nicht zusammengebracht. Ich lernte die Töchter der Herzoginn von Curland, erst später ihre Hoffräulein kennen. Ihr selbst wartete ich erst gestern auf, sie verreist Morgen frühe. Alle waren sehr freundlich und anmuthig; zutraulich, gefällig, gnädig, und wie man die erwünschten Stufen des Wohlwollens bezeichnen mag. Ich habe dagegen durch allerley Gespräch und Vorlesen mich möglichst danckbar erwiesen. Nach Löbichau bin ich schönstens, und, wenn ich mir nicht zu viel schmeichle, wircklich im Ernst eingeladen. Und geht nicht ganz natürlich der Weg von Altenburg über Drackendorf nach Jena? Doch wie es mit mir werden wird weis ich nicht; noch vierzehn Tage muß ich tüchtig fleißig seyn, sonst wird mirs für Herbst und Winter bange, im Juni und Juli habe ich mir allzuwohl seyn lassen. Und doch hätte ich einen schönen Gewinn auf andre Weise erwerben können?

[127] Ihr Fürst, als er mir zufällig begegnete, war sehr freundlich. Die Paar Stunden die ich neben ihm auf dem Spaziergang zubrachte, hatte ich Gelegenheit seinen Geist, seinen Witz, seine glücklichen Einfälle zu bewundern. Schade daß er nicht fühlt, oder nicht fühlen will, wie hoch einem die Menschen ein Geringes anrechnen wodurch man sie verletzt, und wie sehr ihnen das seltsame fast mehr als das böse zuwider ist. Wie die Sachen jetzt stehn und gehn wird jedermann irre an ihm und wie es angefangen hat wird es endigen.

Der Churfürst von Hessen hat uns durch seine Gegenwart überrascht, um somehr als er den ersten Tag mit seinem Gefolge in völliger Uniform erschien. Sie können dencken zu was für Conjeckturen seine Erscheinung Anlas gab.

An keinen öffentlichen Ort bin ich gekommen, als gestern, wo ich mir einem wohlthätigen Conzert warme und lange Zeit bereitet fand. Mit Fr. v. Eibenberg bin ich oft auf den Hammer spazieren gefahren, auf dem Choteckschen Wege war ich nur einmal, zum Findlater's Tempel bin ich noch nicht wieder gestiegen und begrüße nur täglich die lieben Sylben am Glase und am Fensterpfosten.

Und nun lasse Sie mich meine Gedancken zu Ihnen wenden liebes gutes Kind. Wenn Sie Ihrer verehrten Eltern pflegen so gedencken Sie mein und fügen meine besten Wünsche für das Wohlseyn dieser [128] werthen zu den Ihrigen. Für unsre herzlich gegrüßte Loder liegt ein Blättchen bey, das hübsche Mütterchen beglückwünschen Sie schönstens und wenn Sie die eine Cousine tragen und andre leiten; so gedencken Sie eines Freundes der Ihnen auch so gern an der Seite wäre. Blicken Sie Ihre Burg, Ihr Dörfchen, Ihre Vögel und Blumen auch in meinem Namen freundlich an, damit sie mir auch wenn ich komme um Ihrentwillen ein freundlich Gesicht machen. Diese nächsten vierzehn Tage will ich ganz stille vor mich hingehn und meinen hiesigen Aufenthalt abschließen. Schreiben Sie mir, ich bitte noch einmal.

Riemer empfielt sich zum allerschönsten. Frau von Berg und Ihre liebe Schwägerinn die alle Tage hübscher wird habe ich nur wenig gesehen. Frau v. Bock und ich wir wünschen vereint die Franzenbrunner Zeiten zurück. Leben Sie wohl liebste Silvie! Wie sehr hoffe ich darauf Sie bald in Ihren freundlichen Umgebungen zu begleiten. Gedencken Sie mein! Nochmals lebhaften Danck für Ihre lieben Blätter.

CarlsBad d. 3. Aug. 1808.

Goethe.

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