21/6015.

An Silvie von Ziegesar

Ihr herzlicher Brief, liebste Silvie, ist fast den ganzen Juni unterwegs geblieben und kam, jedoch zur rechten Stunde, gerade nach der Abreise der Kaiserinn, da wir uns gleichsam allein und verwaist fanden, denn die Gegenwart dieser liebenswürdigen Dame hatte dem alten Carlsbad eine frische und muntre Tournüre gegeben. Davon sollte ich nun viel erzählen will aber doch lieber ein gedrucktes Blat beylegen aus welchem Sie Sich in der holden Einsamkeit gar manches heraus werden.

Jetzt hat sich Carlsbad übermäßig angefüllt; die kleinsten und geringsten Quartiere sind besetzt und Ankommende müssen zufrieden seyn nur Dach und Fach zu finden, von guter Lage und Bequemlichkeit ist gar die Rede nicht mehr wenn man nicht früh genug bestellt hatte.

Indessen zerschlägt sich die bisherige Gesellschaft der ersten Saison und ich finde mich ziemlich allein; denn man hat wenig Lust sich zum zweytenmale anzuschließen. Gleich bey meiner Ankunft machte ich mir oft Gelegenheit an Sie, meine Beste, zu dencken, ich ging täglich in den weißen Hirschen und zeichnete aus den Hinter Fenstern die Verwüstung welche Natur und Mensch Hände um den Sprudel her hervorgebracht hatten. Sie sollen es sehen und Sichverwundern [345] wie wild alles aussah. Jetzt ist alles wieder leidlich in Ordnung aber die Einrichtung höchst unbequem und nur für den erträglich der hier sein Heil sucht. Am Neubrunn ist es das Alte, wer das nicht von Alters her kennt klagt jämmerlich.

Die Damen Hänbury und Bohn nebst der Kleinen befinden sich wohl und munter, sie haben sich nun in die hiesige Cur- und Lebensart geschickt und ich wollte wetten sie gehen ungern hier weg, wie es jedem geschieht, der sich Verhältnisse zu machen weiß und seine Gesellschaft findet.

Neue Promenaden sind nicht entstanden. Der Weg vom Hammer nach Aich durchs Gebirg ist angefangen. Der Stillstand voriges Jahr hat alles zurückgehalten. Der Sprudel Ausbruch, ein großes Wasser hat die Carlsbader überall zu Reparaturen genötigt und die heurige Affluenz ist ihnen zu gönnen. Auch scheint es daß sie Lust haben sich zu erholen. Alles ist vertheuert. (Doch darf ich der neuen Chaussee nicht vergessen, die über der Stadt her, am Fuß des drey Kreuzbergs, und so weiter nach der Töpel herab geführt wird.)

Und nun könnte ich meine letzte Seite nicht besser anwenden als daß ich Ihnen von unsrer lieben Prinzess rede, deren Fest ich so gern mit begangen hätte. Auch aus der Ferne war ihr etwas zugedacht, das hat sich aber verspätet und nun brauchts ein Jahr um zu reisen? Rathen Sie wohl? Was es [346] seyn kann? die kleine Melodie sollen mir die Vöglein an der Töpel solange vorpfeifen biß sich ein artig Liedchen zu regen anfängt. Haben Sie Gelegenheit; so empfehlen Sie mich zum allerbesten.

Zuletzt muß ich noch erwähnen daß wir den 21ten mit Ball und Illumination gefeyert haben und nun bey hellem Tage, so wie dort in der erhellten Nacht der lieben Abwesenden fleißig gedencken.

CarlsBad d. 4. Juli 1810.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek