4/1027.

An Johann Kaspar Lavater

Weimar den 13. Okt. 1780.

Deine Schrift über Wasern ist nunmehro ganz bei mir angekommen, und ich danke dir in meinem und vieler Menschen Namen dass du dir diese Mühe geben wollen. Es ist ein Meisterstük von Geschichte, und ich darf dir wohl sagen, dass du, als Mensch, Bürger und Schriftsteller, mich mehr dabei interessirt[315] hast, als der Held selbst. Ich meine noch nie so viel Wahrheit der Handlung, solchen Psychologischen und politischen Gang ohne Abstraktion beisammen gesehen zu haben, und eins von den grössten Kunststüken, das dich aber die Natur und der Ernst bei der Sache, gelehrt hat, ist iene anscheinende Unparteylichkeit, die sogar widrige facta mit der grössten Naiveté erzählt, iedem seine Meinung und sein Urtheil frei zu lassen scheint, da sich doch am Ende ieder gezwungen fühlt, der Meinung des Erzählers zu sein. Du hast in allem Sinne sehr wohl gethan in dieser Sache auch ein Wort mit zu reden, es ist ein schön Monument für die Nachkommenschaft, und dein Vaterland hat dir dafür Dank zu sagen. Was das grosse Publikum betrift so hätte es um dessentwillen weniger bedurft, alle honnette Leute, die auserordentlich für Wasern portirt sind, haben gleich kreuzige! geschrien, so bald ich ihnen versicherte, er habe noch nebenher gestolen und falsche Obligationen gemacht, auf dieses hat man ihn ohne weiters dem Henker übergeben und die Herren von Zürich völlig entschuldiget, und so thu' ich deinen Willen indem ich den besten das Manuscript vorlese, und den andern einen Auszug erzähle der nach ihrem Sinne ist. Über den Menschen selbst ist nichts zu sagen. Ich wenigstens habe mit der Beschreibung davon genug, und ergöze mich am Anschauen desselben, wie an der Beschreibung und Abbildung eines andern Meerwunders ohne ihn [316] klassifiziren, oder drüber pragmatisiren zu wollen. Schlözer spielt eine scheusliche Figur im Roman, und ich erlaube mir eine herzliche Schadenfreude, weil doch sein ganzer Briefwechsel die Unternehmung eines schlechten Menschen ist.

Deine Geldsache kann nun auch sogleich in Richtigkeit gebracht werden. Ich habe deinen Brief an Bertuchen vor mir und darüber folgendes zu sagen:

1. Es wird von dir keine weitere Versicherung verlangt, als dass du beiliegenden Schein 1, abschreibst, unterschreibst und besiegelst. Es erfährt das weiter niemand, geht niemanden nichts an, und ich kann nicht denken, dass Gefahr dabei sein soll, denn so gern ich dir auch was zu Gefallen thue, so ist's in mei ner Situation gar zu unangenehm, des Herzogs Schuldner zu sein, oder zu scheinen.

Das übrige soll gehalten werden, wie du schreibst, nur scheint darinn ein Verstos zu sein, dass du an Herrn Gedeon Burkhardt für Herrn v. Knebel nur funfzig Louis d'or willst ausgezahlt haben, da ich doch damalen befohlen, dass man dir sechzig übermachen soll. Ich habe die Rechnung von meinem Banquier noch nicht, diese wird alles erklären. Und da dir nach deiner Rechnung noch 76 Louis d'or zu erhalten noch übrig bleiben, so würdest du, wenn du damalen schon 60 erhalten hättest, gegenwärtig nur noch 66[317] empfangen. Ich kann davon in wenig Tagen Nachricht haben und, ohne auf deine Antwort zu warten, soll das Geld sodann gleich abgehen.

Ich danke dir für den Tomas Morus, er ist ganz vortreflich gezeichnet. Wollte Gott Lips hätte bei seinem schönen Talent auch einen solchen Sinn an der Natur. Meine Iphigenie mag ich nicht gern, wie sie iezo ist, mehrmals abschreiben lassen und unter die Leute geben, weil ich beschäftigt bin, ihr noch mehr Harmonie im Stil zu verschaffen und also hier und da dran ändere. Sei so gut und sag das denenienigen zur Entschuldigung, die eine Abschrift davon verlangten. Ich habe es schon öfters abgeschlagen.

Da ich soweit bin, sehe ich deine ältere Briefe an mich nach. Deine Rechnung, wie sie auf beiliegendem Blate steht verändert sich also, wie schon gesagt und du kannst die 66 Louis d'or nunmehro gleich erhalten.

Lebe wohl lieber Mensch und fahre fort mit uns zu leben. Knebel ist angekommen, und hat dich wieder recht lebhafft zu uns gebracht. Adieu. Schreib mir auch einmal wieder einen ausführlichen Brief. Grüse Bäben.

d. 13. Oktbr. 80.

G.


Eben erhalt ich deinen Brief vom 30. 7br.

Für die Schöne und dich ist mirs leid dass ihr euch nicht gesehn habt. Es ist eine schöne Sache [318] ums sehn. Wollte Gott ich wäre dir die Hälfte näher und könnte alle Jahr dich einmal acht Tage haben.

Dass du über mich glauben magst ohne zu sehn ist mir sehr lieb. Du wirst auch wenig sehn. Gewiss auch hast du recht dass der Gedancke im Menschen das beste ist, von dem Capital das er doch hat, und wie er mit wuchern möchte, um es aufs tausendfältige zu treiben, es entstehe draus Gewinnst oder Verlust.

Den guten Lands und Hausvater würdest du näher, mehr bedauern. Was da auszustehn ist spricht kein Zeuge aus. Herrschafft wird niemand angebohren, und der sie ererbte, muss sie so bitter gewinnen als der Erobrer, wenn er sie haben will, und bitterer.

Es versteht dies kein Mensch der seinen Würckungskreis aus sich geschaffen und ausgetrieben hat.


Dancke für die Silhouetten Auslegung hier ist wieder eine. Du thust mir eine Wohlthat, ich schicke dir wenn du mir antwortest manchmal solch ein Gesicht. Ich hab ohne bestimmtheit unendlich ähnlich Gefühl zu deinem.


Note:

1 Dieser kommt mit dem Gelde.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek