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An Friedrich Schiller

Ich habe diese Tage gerade das Gegentheil von Gesang und Tanzkunst erlebt, indem ich mit der rohen Natur und über das eckelhafteste Mein und Dein im Streite lag. Heute bin ich meinen alten Pachter erst los geworden und nun giebt es so manches zu besorgen und zu bedenken, da der neue erst Johannis anzieht. Ich glaube daher kaum daß ich Sonnabends kommen werde. Nehmen Sie sich doch einer Leseprobe vom Nathan einstweilen an, bis ich eintreffe, denn ohne Leitung würden sich die Leute gar nicht zu helfen wissen, es ist ein sehr undankbares Geschäft, doch kann man es nicht ganz los werden.

Einer Vorstellung Ihrer Jungfrau möchte ich nicht ganz entsagen. Sie hat zwar große Schwierigkeiten, doch haben wir schon große genug überwunden, aber freylich wird durch theatralische Erfahrungen Glauben, Liebe und Hoffnung nicht vermehrt. Daß Sie persönlich etwas besseres thun können als sich einer solchen Didaskalie zu unterziehen bin ich selbst überzeugt, es käme darauf an ob ich bey meiner jetzigen Halbthätigkeit dazu nicht am besten taugte. Doch davon wird sich reden lassen wenn wir wieder zusammen kommen.

Ich habe der Versuchung nicht widerstehen können mir einen Spaziergang hier anzulegen, da man vorher keinen Schritt im Trocknen thun konnte bey [223] feuchtem Wetter und keinen im Schatten bey Sonnenschein. Nun hat mich das etwas weiter geführt als billig, und ich muß hier bleiben bis die Anlage fertig ist, weil sie mir sonst zuletzt noch verpfuscht werden könnte. Leben Sie indessen wohl in einer bessern Welt und sinnen Sie auf neue Schöpfungen zu unserer Freude.

Oberroßla am 28. Apr. 1801.

G.

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