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An den Herzog Carl August

Neapel d. 27. [- 29.] May 87.

Ihre lieben und werthen drey Briefe habe ich vor einigen Tagen auf einmal von Rom erhalten, wie die[220] drey ersten zu ihrer Zeit auch alle richtig eingelaufen waren. Nun verlangt mich um so mehr nach Rom, um von Lucchesini die Begebenheiten zu erfahren, an denen Sie soviel Theil haben. Möge Alles auch zu Ihrem Glück und Freude ausschlagen. Von meiner glücklichen Rückkunst aus Sicilien von meiner Exkursion nach Pestum wird Fr. von Stein etwas sagen können; überhaupt aber muß ich alles Detail biß auf meine Rückkunst versparen, denn da war und ist kein Mittel, meine Anmerckungen in Ordnung zu bringen. Ich bin über alle Maaßen von meiner Reiße zufrieden und von meinem zweyten hiesigen Aufenthalt. Ich habe mehrere interessante Menschen kennen lernen, um derentwillen ich wohl noch eine Zeit bleiben möchte, allein der erste Juni ist und bleibt zu meiner Abfahrt angesetzt, eben wie ich aus Rom bald nach St. Peter zu gehen gedencke. Für den ersten Anbiß habe ich nun Italien genug gekostet, wollte ich es mehr und gründlicher nutzen; so müßte ich in einigen Jahren so wieder kommen, ich bin nur von Gipfel zu Gipfel geeilt und sehe nun erst recht was mir alles an Mittelkenntnißen fehlt. Daß ich Sicilien gesehen habe, ist mir ein unzerstörlicher Schatz auf mein ganzes Leben.

Unter dem was ich mitbringe wird hoffentlich manches für Sie seyn, was Sie bestellen will ich in Rom treulich besorgen, auch mir daselbst einige Correspondenz offen halten daß man im Falle immer an gute Künstler rekurriren kann.

[221] An Ihre Anlagen habe ich oft gedacht, die schwarze Tafel soll auch nicht vergessen werden.

Ich habe manche Räzel unterwegs gefunden, vielleicht paßt eines in die Höhle des Sphinx. Gartenhäuser und Brunnen bringe ich mit.

Meine besten Wünsche folgen Ihrer Frau Gemahlinn ins Bad. Die Stein schreibt mir, Sie werde nach Aachen gehn. Wäre Sie nach der Schweitz gegangen; so hätte ich meinen Rückweg über Turin genommen um Ihr aufzuwarten. So aber dencke ich über den alten Gotthardt meine andächtige Wallfahrt zu vollenden.

Auf Ihre Carten Sammlung freue ich mich recht sehr. Da ich nun ein schön Stück Welt gesehn habe intereßirt sie mich wieder in allen ihren Theilen.

Viel Glück! zu Dahlbergs Erwählung! ich hoffe ihm auf meiner Rückreiße aufzuwarten.

Diese Stadt ist für einen Fremden sehr reitzend; man kann einsam und für sich leben und doch unter dem schönsten Himmel von den manigfaltig zubereiteten Ergötzlichkeiten sein Theil wegnehmen. Ich bin neugierig wie mir seyn wird wenn ich kein Meer künftig sehe, das ich nun drey Monate anhaltend und aus so vielen Gesichtspunckten im Auge gehabt habe. Das ist an Sicilien so lustig, daß, wenn man kaum eine Streckte in's Land hinein ist, gleich auf der andern Seite das Meer wieder erscheint und eine neue Küste uns entgegen lacht.

[222] Auf alle Weise seh ich aber wie schwer es ist ein Land zu beurteilen, der Fremde kann es nicht und der Einwohner schwer. Und dann ist der Mensch so einseitig, daß ein so großer und manigfaltiger Gegenstand von ihm nicht wohl begriffen werden kann.

Diejenige die ich über Neapel und Sicilien gesprochen habe, haben im einzelnen fast alle recht, im Ganzen wie mir scheint fast keiner.

Über alle diese Dinge wird mündlich manches abzuhandlen seyn, es gehört dazu daß man bestimmt und ausführlich spreche.

In diesen meinen letzten Tagen unterhält mich auch das Theater, an dem ich bisher wenig Freude gehabt habe. Doch seh ich daß ich auf alle Fälle zu alt für diese Späße bin. Die andern bildenden Künste erfreuen mich mehr, und doch am meisten die Natur mit ihrer ewig konsequenten Wahrheit.

Auf dem Schiffe habe ich manchmal an Sie gedacht, daß die precisen und schnellen Maneuvres Sie sehr unterhalten würden. Es ist eine respecktable Maschine an der alles ausgedacht, nichts willkührliches ist, noch seyn kann. Ich habe auf dem Hin und Herweg vom Meere gelitten und also viel Freude verloren. Stromboli ist ein wunderlicher Anblick. Eine solche immer brennende Oeße, mitten im Meere ohne weiteres Ufer noch Küste. Die Sirenenfelsen hinter Capri aber haben uns den unvergeßlichsten Eindruck gelaßen, an denen wir beynahe, auf die seltsamste Art[223] bey völlig heitrem Himmel, und vollkommner Meeres Stille, eben durch diese Meeresstille zu Grunde gegangen wären.

Laßen Sie mich nun dieses Blat meinem eignen Verhältniße wiedmen, für welches Sie so freundschaftlich und liebevoll sorgen.

Es freut mich unendlich wenn das Compte rendu, wenigstens im Allgemeinen hat zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen können, erhalten und vollenden Sie das gute Werck, bey dem ich im Grunde wenig Verdienst habe.

Der Gedancke Schmidten die nähere Aufsicht über die Cameral Geschäfte aufzutragen, hat meinen völligen Beyfall, er ist auf alle Weise der rechte Mann, nur bey dem Modo habe ich zu erinnern: daß, wenn Sie ihn zum Vicepräsidenten machen und mir eine Art von Direcktion lagen, alsdann ein Glied des Geh. Consilii dem andern untergeordnet ist welches ich nicht für ganz gut halte. Vielmehr wünschte ich: Sie entbänden mich, mit einem freundlichen Worte, meiner bisherigen Inkumbenz, (und mit der gewöhnlichen Formel: auf sein Ansuchen) Machten alsdann Schmidten entweder gradezu zum Presidenten, oder gäben ihm die Direcktion, wie ich sie in Würcklichkeit (nicht nach dem Rescripte) gehabt habe. Doch das sey Ihnen Alles überlaßen. Mein einziger Wunsch war: Sie Herr von dem Ihrigen zu wissen, alles was Sie thun um Sich die Sachen mehr nach der Hand einzurichten, [224] kann mir nicht anders als erfreulich seyn. Machen Sie diese Veränderung wann und wie Sie es für gut befinden. Anfangs September bin ich hoffentlich in Franckfurt, kann ich alsdann einige Zeit bey meiner Mutter bleiben, um meine vier letzten Bände in Ordnung zu bringen, meine Reise Beobachtungen besser auszuführen, vielleicht an Wilhelm und einigen neuern Ideen zu arbeiten; so werde ich mich sehr erleichtert finden, denn einmal müßen diese Arbeiten doch hinter mich. Und darum nehmen Sie den besten Danck für Ihre Gesinnungen, daß Sie mich so gütig erleichtern wollen. Wie jetzt unsre Sachen stehn, können Sie es ohne Nachteil der Geschäfte, ja ich werde Ihnen mehr werden als ich oft bisher war, wenn Sie mich nur das thun lassen was niemand als ich thun kann und das übrige andern auftragen. Mein Verhältniß zu den Geschäften ist aus meinem persönlichen zu Ihnen entstanden, laßen Sie nun ein neu Verhältniß zu Ihnen nach so manchen Jahren, aus dem bisherigen Geschäfts-Verhältniß entstehn. Ich bin zu allem und jeden bereit, wo und wie Sie mich brauchen wollen. Fragen Sie mich über die Symphonie die Sie zu spielen gedencken; ich will gern jederzeit meine Meinung sagen, so wird auch mein persönlich Verhältniß zu Schmidten mich in den Stand setzen, nach Ihrem Verlangen, in allen Sachen mitzuwürcken. Schon sehe ich, was mir die Reise genützt, wie sie mich aufgeklärt und meine Existenz erheitert [225] hat. Wie Sie mich bisher getragen haben, sorgen Sie ferner für mich und thun Sie mir mehr wohl, als ich selbst kann, als ich wünschen und verlangen darf. Geben Sie mich mir selbst, meinem Vaterlande, geben Sie mich Sich selbst wieder, daß ich ein neues Leben und ein neues Leben mit Ihnen anfange! Ich lege mein ganzes Schicksal zutraulich in Ihre Hände. Ich habe so ein großes und schönes Stück Welt gesehn, und das Resultat ist: daß ich nur mit Ihnen und in dem Ihrigen leben mag. Kann ich es, weniger von Detail überhäuft, zu dem ich nicht gebohren bin; so kann ich zu Ihrer und zu vieler Menschen Freude leben, deswegen nehmen Sie den herzlichsten Danck für diesen neusten Vorschlag und führen Sie ihn mit Glück und Segen aus.

Können Sie gelegentlich etwas für Voigten thun, der manches für mich trägt und dem Sie selbst wegen seiner Brauchbarkeit immer mehr auflegen müßen; so werden Sie Ihrem Dienste gewiß Vortheil bringen. Sprechen Sie mit Schmidten deßhalb. Er kennt des Manns Verdienste, weiß wie man gewußt hat ihn zu verkürzen, und kann wohl einen Weg angeben, wie Sie ohne Unzufriedenheit mehrerer ihn erleichtern können.

Leben Sie wohl und halten Sich überzeugt: daß es wenige treuer mit Ihnen meinen können als ich und daß das beste was an mir ist und seyn wird immer Ihrem Dienste gewidmet bleiben soll. Behalten Sie mich lieb.

G.


[226] Sagen Sie doch der Stein und Herdern ein Wort davon in Vertrauen, daß sie nicht in Sorge und auf wunderliche Gedancken gerathen.

Eine Antwort auf diesen Brief würde mich schwerlich mehr in Rom treffen, ich schreibe bald wohin wieder Briefe an mich adressirt werden können.

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