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An den Herzog Carl August
Rom d. 28. März [- 2. April] 88.
Ihr Brief mein bester Fürst und Herr, in welchem Sie mir Ihre Gedancken über Egmont eröffnen, hat das Verlangen nur vermehrt mich mit Ihnen über solche und andre Gegenstände mündlich zu unterhalten. Bemerckungen wie die, welche Sie mir schreiben, sind zwar für den Autor nicht sehr tröstlich, bleiben aber doch dem Menschen äusserst wichtig und wer beyde in sich nie getrennt hat weiß solche Erinnerungen zu schätzen und zu nutzen. Einiges was Ihnen nicht behagte liegt in der Form und Constitution des Stücks und war nicht zu ändern ohne es aufzuheben. Andres z. B. die Bearbeitung des ersten Ackts, hätte mit Zeit und Muße wohl nach Ihren Wünschen geschehen können. Noch andres, wie z. B. die Aüsserung Machiavellens, war mit einem Federstrich ausgelöscht. Es war ein schweres Unternehmen, ich hätte nie geglaubt es zu vollenden, nun steht das [365] Stück da, mehr wie es seyn konnte als wie es seyn sollte.
Gewiß auch konnte kein gefährlicherer Leser für das Stück seyn als Sie. Wer selbst auf dem Punckte der Existenz steht um welchen der Dichter sich spielend dreht, dem können die Gauckeleyen der Poesie, welche aus dem Gebiet der Wahrheit ins Gebiet der Lüge schwanckt weder genug thun, weil er es beßer weiß, noch können sie ihn ergötzen, weil er zu nah steht und es vor seinem Auge kein Ganzes wird. Doch alles sey auf die guten Stunden aufgespart, die ich mir neben Ihnen verspreche.
Ich leße jetzt das Leben des Tasso, das Abbate Serassi und zwar recht gut geschrieben hat. Meine Absicht ist, meinen Geist mit dem Charackter und den Schicksalen dieses Dichters zu füllen, um auf der Reise etwas zu haben das mich beschäftigt. Ich wünsche das angefangne Stück, wo nicht zu endigen, doch weit zu führen, eh ich zurückkomme. Hätte ich es nicht angefangen; so würde ich es jetzt nicht wählen und ich erinnere mich wohl noch daß Sie mir davon abriethen. Indeßen wie der Reitz der mich zu diesem Gegenstande führte aus dem innersten meiner Natur entstand; so schließt sich auch jetzt die Arbeit die ich unternehme um es zu endigen ganz sonderbar ans Ende meiner Italiänischen Laufbahn, und ich kann nicht wünschen daß es anders seyn möge. Wir wollen sehen was es wird.
[366] Lila ist fertig, Jery auch, meine kleinen Gedichte sind bald zusammengeschrieben, so bliebe mir für den nächsten Winter, die Ausarbeitung Fausts übrig, zu dem ich eine ganz besondre Neigung fühle. Möge ich nur halb so reüssiren, als ich wünsche und hoffe!
d. 2. Apr.
In vierzehn Tagen dencke ich hier loß und ledig zu seyn. Seit den Osterfeyertagen ist mir schon soviel durch den Kopf gegangen als wenn ein halb Jahr vorüber wäre. Jene Funcktionen kann man nicht ohne Verwunderung ansehen. Es ist gewiß in der Welt nie ein solches Ensemble gewesen und man kann denSchein, die Representation nicht höher treiben. Ich habe die Meße des ersten Ostertags, welche unter der Peterskuppel, vor dem hohen Altar celebrirt wird, von oben, von einer der Tribunen gesehen, welche an den Pfeilern angebracht sind, worauf die Kuppel ruht. Man sieht ohngefähr von der Höhe wie aus Ihren Fenstern herunter, man glaubt in gewißen Augenblicken seinen Augen kaum, was da für eine Kunst, ein Verstand, ein Geschmack durch Jahrhunderte zusammengearbeitet haben um einen Menschen bey lebendigem Leibe zu vergöttern!
Ich hätte in dieser Stunde ein Kind, oder ein Gläubiger seyn mögen um alles in seinem höchsten Lichte zu sehen.
Leben Sie recht wohl. Wenn mir die Freunde,[367] gleich nach Ankunft dieses Briefs ein Wort nach Florenz schreiben wollen; so trifft es mich unter beyliegender Adreße. Haben Sie die Güte ihnen das Blätchen zu kommuniciren.
Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Meine Abfahrt aus Rom zeige ich an. Behalten Sie mich lieb und laßen Sie mich an Ihrer Seite die ersten Freuden unseres Zusammenlebens wiederfinden.
G.