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An den Herzog Carl August

Franckfurt d. 8. Aug. 97.

Zum erstenmale habe ich die Reise aus Thüringen nach dem Mainstrome durchaus bey Tage, mit Ruhe und Bewußtseyn gemacht und das deutliche Bild der verschiedenen Gegenden, ihrer Charaktere und Übergänge war mir sehr lebhaft und angenehm, auch war die Witterung, bis auf wenige heiße Stunden, erwünscht und der Moment wegen der heranreisenden Feldfrüchte sehr bedeutend. In Thüringen stand alles zum schönsten, im Fuldischen fanden wir die Mandeln auf dem Felde, und zwischen Hanau und Frankfurt nur noch die Stoppeln. Vom Wein verspricht man sich nicht viel, das Obst ist gut gerathen.

In Frankfurt ist alles thätig und lebhaft. Ihre Zeit ist nur zwischen erwerben und verzehren getheilt und das vielfache Unglück scheint nur einen allgemeinen Leichtsinn bewirckt zu haben. Die Millionen [212] die man hingeben mußte sind, so wie die Noth jener Augenblicke, vergessen und jedermann findet es äußerst unbequem, daß er nun zu den Interessen und Abzahlungen auch das seinige beytragen soll. Jedermann beklagt sich über die äußerste Theurung, und fährt doch fort Geld auszugeben und den Luxus zu vermehren über den er sich beschwert. Doch habe ich auch schon einige wunderliche und unerwartete Ausnahmen bemerken können.

Gestern Abend entstand auf einmal ein lebhafter Friedensruf, in wie fern er gegründet sey muß sich bald zeigen.

Ich habe mich in diesen wenigen Tagen schon viel umgesehen, bin die Stadt umfahren und umgangen, außen und innen entsteht ein Gebäude nach dem andern, und der bessere und größere Geschmack läßt sich bemerken, obgleich auch hier und da wieder mancher Rückschritt geschieht. Gestern war ich im Schweizerischen Hause, das auch inwendig viel Gutes enthält, besonders hat mir die Art der Fenster sehr wohl gefallen, ich werde ein kleines Modell davon an die Schloßbaukommission schicken.

Das hiesige Theater hat gute Subjecte, im Ganzen ist es aber für eine so große Anstalt viel zu schwach besetzt, die Lücken, welche bey Ankunft der Franzosen entstunden, sind noch nicht wieder ausgefüllt. Auf den Sonntag wird Palmyra gegeben, worauf ich sehr neugierig bin.

[213] Politische Nachrichten wird Herr Riese geschwinder und geschäftiger als ich überschreiben; ich lege aber doch eine Recension einiger italienischen Zeitungsblätter bey, die mich interessirt haben, weil sie einen Blick in jene Zustände thun lassen.


Am 9. August 97.

Das allgemeine Gespräch und Interesse ist heute die Feyer des morgenden Tages die in Wetzlar begangen werden soll, man erzählt Wunderdinge davon:

Zwanzig Generäle sollen derselben beywohnen, von allen Regimentern sollen Truppen dazu gesammelt werden, militarische Evolutionen sollen geschehen. Gerüste sind aufgerichtet und was dergleichen mehr ist. Indessen fürchten die Einwohner bey dieser Gelegenheit böse Scenen, mehrere haben sich entfernt, man will heute Abend schon kanoniren gehört haben. Indessen lebt man hier in vollkommner Sicherheit und jeder treibt sein Handwerk, eben als wenn nichts gewesen wäre. Man hält den Frieden für gewiß und schmeichelt sich daß der Congreß hier seyn werde, ob man gleich nicht weiß wo man die Gesandschaften unterbringen will. Wenn Alles ruhig bleibt so wird die nächste Messe über die Maßen voll und glänzend werden, es sind schon viele Quartiere bestellt und die Gastwirthe und andere Einwohner setzen unerhörte Preise auf ihre Zimmer.

Gestern war ich bey Herrn von Schwarzkopf, der mit seiner jungen Frau auf einem Bethmannischen[214] Gute wohnt. Es liegt sehr angenehm, eine starke Halbestunde von der Stadt, vor dem Eschenheimer Thore, auf einer sanften Anhöhe, von der man vorwärts die Stadt und den ganzen Grund worinn sie liegt, und hinterwärts den Niddagrund bis an das Gebirg übersieht. Das Gut gehörte ehemals der Familie der von Riese, und ist wegen der Steinbrücke bekannt die sich in dem Bezirk desselben befinden. Der ganze Hügel besteht aus Basalt und der Feldbau wird in einem Erdreiche getrieben das aus Verwitterung dieser Gebirgsart besteht, es ist auf der Höhe ein wenig steinig, aber Früchte und Obstbäume gedeihen vortrefflich. Bethmanns haben viel dazu gekauft und meine Mutter hat ihnen ein schönes Baumstück, das unmittelbar daran stößt, abgelassen.

Die Fruchtbarkeit des herrlichen Grundes um Frankfurt und die Mannigfaltigkeit seiner Erzeugnisse erregt Erstaunen und an den neuen Zäunen, Stacketen und Lusthäusern, die sich weit um die Stadt umher verbreiten, sieht man wie viele wohlhabende Leute in der letzten Zeit nach größern und kleinern Stücken eines fruchtbaren Bodens gegriffen haben. Das große Feld, worauf nur Gemüse gebauet wird, gewährt in der jetzigen Jahrszeit einen sehr angenehmen und mannigfaltigen Anblick.

Überhaupt ist die Lage, wie ich sie an einem schönen Morgen vom Thurme wiedergesehen, ganz herrlich, und zu einem heitern und sinnlichen Genusse[215] ausgestattet, deswegen sich die Menschen auch so frühzeitig hier angesiedelt und ausgebreitet haben. Merkwürdig war mir die frühzeitige städtische Cultur, da ich gestern las: daß schon 1474 befohlen ward die Schindeldächer wegzuthun, da schon früher die Strohdächer abgeschafft waren. Es läßt sich denken wie in dreyhundert Jahren ein solches Beyspiel auf die ganze Gegend gewirkt haben müsse.

Leben Sie recht wohl und gedencken mein. Nehmen Sie diese unbedeutenden Blätter gütig auf. Wenn ich mich gewöhnen kann auf der Reise mich auch Abwesenden mitzutheilen, so giebt es auch wohl immer etwas interessanteres. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin zu Gnaden.

G.

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