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An Carl Friedrich Zelter

Sie haben durch das Denkmal, das Sie Faschen errichtet, ein sehr verdienstliches Werk vollendet und auch mir dadurch viel Vergnügen gemacht.

Das Andenken an ein vergangenes Menschenleben zieht sich so sehr ins Enge zusammen, daß die Neigung erst wieder die Asche palingenesiren und den verklärten Phönix unserm Auge darstellen muß. Jeder Biedermann darf wünschen auf diese Weise von dem Freunde, dem Schüler, dem Kunstgenossen dereinst geschildert zu werden.

Wie übel nehmen sich gegen ein so liebevoll wieder auferwecktes Individuum jene Nekrologen aus, die, indem sie das was Gutes und Böses, durch das Leben eines bedeutenden Menschen, von der Menge gewähnt und geklatscht worden, gleich nach seinem Verscheiden, emsig gegen einander stellen, seine sogenannten Tugenden und Fehler mit heuchlerischer Gerechtigkeit aufstutzen und dadurch, weit schlimmer als der Tod, eine Personalität zerstören, die nur in der lebendigen Vereinigung solcher entgegengesetzten Eigenschaften gedacht werden kann.

[231] Die Entstehung der sechszehenstimmigen Messe und der daraus hervorwachsenden Singgesellschaft hat mich besonders ergötzt. Wie sehr habe ich dem guten Fasch gegönnt daß er so glücklich war eine solche Idee zuletzt noch realisirt zu sehen.

In einem frühern Briefe, auf den ich Ihnen leider die Antwort schuldig geblieben, fragen Sie an, ob nicht etwas das einer Oper ähnlich sieht sich unter meinen Papieren befinde?

Von einem zweyten Theil der Zauberflöte werden Sie die ersten Scenen in dem nächsten Wilmannischen Taschenbuche finden, zu einem ernsthaften Singstücke, die Danaiden, worin, nach Art der älteren griechischen Tragödie, der Chor als Hauptgegenstand erscheinen sollte, hatte ich vor einigen Jahren den Entwurf gemacht; aber keins von beyden Stücken werde ich wohl jemals ausführen. Man müßte mit dem Componisten zusammenleben und für ein bestimmtes Theater arbeiten, sonst kann nicht leicht aus einer solchen Unternehmung etwas werden.

Senden Sie mir doch von Zeit zu Zeit etwas von Ihren Compositionen, die mir viel Vergnügen machen. Übrigens lebe ich in keiner musikalischen Sphäre, wir reproduciren das ganze Jahr bald diese bald jene Musik, aber wo keine Production ist kann eine Kunst nicht lebendig empfunden werden.

Leben Sie recht wohl und gedenken mein.

Weimar am 29. Mai 1801.

Goethe.

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