39/22.

An Carl Friedrich Zelter

Mit herzlichem Bedauern daß du durch körperliches Übel einige Wochen am freyen Gebrauch deiner Kraft gehindert wurdest, vermelde daß ich mich ganz wohl befunden hätte, wären die Meinigen nicht auch auf mehr als eine Weise körperlich verletzt worden. Da mußt ich mich denn in die Zeit schicken und im Stillen fortarbeiten, damit man sich einigen Resultats in guten Tagen erfreuen könne. Du hast wohl gethan in eine fremde Literatur hineinzuschauen; das zerstreut am besten.

Mit den köstlichen märkischen Rübchen haben wir gestern die Berliner Freude tractirt, sie hielten sich[26] kaum einen Tag auf, ich habe aber doch gar manches, besonders durch Schinkel vernommen was mir einen hellen Blick über das neue Italien gewährt. Daß ein Mann wie dieser, der in der Kunst so hoch steht, in kurzer Zeit viel zu seinem Vortheil weghaschen könne ist naturgemäß, und es wird ihm gewiß bey den nächstbedeutenden Unternehmungen sehr zu statten kommen.

Eben so haben mich deine Theaternachrichten auf den Alexander-Platz versetzt und mich in die Eigenthümlichkeiten jener Unternehmungen eingeweiht.

Die Wirkung der Mitschuldigen ist ganz die rechte. Ein sogenanntes gebildetes Publicum will sich selbst auf dem Theater sehen und fordert ungefähr eben soviel vom Drama als von der Societät; es entstehen Convenancen zwischen Acteur und Zuschauer; das Volk aber ist zufrieden daß die Hanswürste da droben ihm Späße vormachen an denen es keinen Theil verlangt. Übrigens, könntest du lesen was ich über das Stück, ich weiß nicht wo, gesagt habe, so würdest du es mit den Gefühlen des ersten Ranges ganz gleich gestimmt finden. Ich suche die Stelle auf und melde sie.

Deine musikalischen Relationen haben mir nicht weniger ganz unglaublich gedient; insofern es möglich ist durch den Begriff die Musik zu erfassen, so hast du es mir geleistet, und ich begreife nun wenigstens warum ich den Barbier von Sevilla unter Rossini's [27] Arbeiten so vorzüglich rühmen höre. Neulich Abends besuchte ich den Tankred, er ward sehr löblich vorgetragen und ich wäre auch recht zufrieden gewesen, wenn nur keine Helme, Harnische, Waffen und Trophäen auf dem Theater erschienen wären. Ich half mir aber gleich und verwandelte die Vorstellung in eine favola boschereccia, ungefähr wie der Pastor fido. So putzte ich mir auch das Theater heraus, da waren Poussinische und anmuthige Landschaften, stutzte die Personen zusammen, ideelle Hirtin und Hirten wie in Daphnis und Chloe, sogar an Faunen fehlte es nicht, und nun war wirklich nichts auszusetzen weil die hohle Prätension einer heroischen Oper wegfiel.

Nun aber läßt sich freylich denken daß wie du mir richtig aussprichst zu neuen Kehlen neue Forderungen, zu neuen Forderungen neue Kehlen gehören, und paßt sodann der Gegenstand genau, so mag wohl manches für den Augenblick höchst Entzückendes zum Genuß kommen.

Und hiemit will ich für alles Gute nochmals dankend und bestens grüßend abschließen; mit dem Wunsch daß du deine Übel in dem Augenblick los seyn mögest. Nimm Inliegendes freundlich auf, gedenke meiner und sage mir ein Wort sobald es dir behagt; mich freut es immer und erregt mich zum Guten.

Der deine

Weimar den 3. December 1824.

G. [28]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek