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An Sabine Wolff

Madame!

Es hat sich vor einiger Zeit ein junger Mann bey mir gemeldet und den Wunsch geäußert auf [287] unserm Theater angestellt zu seyn. Bey einer genauen Prüfung fand ich daß er nicht ohne Anlage sey und als ich mich näher nach seinen Lebens- und Familienumständen erkundigte, erfuhr ich dieselben besonders durch Ihren mütterlichen Brief vom 12. Aug. wodurch ich bewogen werde gegenwärtiges an Sie zu erlassen.

Der Schauspieler befindet sich bey uns keineswegs in der Lage wie etwa noch in Oberdeutschland. Er ist, so lange er sich zu dieser Kunst bekennt, weder von guter Gesellschaft, noch andern wünschenswerthen Verhältnissen ausgeschlossen; so wie er auch, wenn er sie verläßt, wohl Gelegenheit findet irgend eine bürgerliche Stelle zu bekleiden. Es kommt alles darauf an was er leistet, wie er sich beträgt und ob er sich beym Publikum Neigung und Achtung zu erwerben weiß.

In solchen und andern Rücksichten habe ich, nach wiederholtem Gespräch und vielfacher Überlegung, Herrn Wolf nicht abrathen können die Bühne zu betreten. Wird er sich einige Jahre, durch Fleiß, Betragen und Wirthschaftlichkeit, auszeichnen; so ist voraus zu sehen daß er, unter Begünstigung glücklicher Umstände, seiner Natur gemäß, ein zufriednes Leben führen werde.

Stille sowohl als brausende Leidenschaften, welche dem Menschen die Tage verbittern, sind in allen Ständen rege, wie Sie selbst in Ihrer Familie erfahren.[288] Aber glücklicherweise kann man sich auch in jedem Stande sittlich bearbeiten und bilden.

Gönnen Sie Ihrem Sohn fortan Ihre mütterliche Liebe und den Beystand, dessen er in der ersten Zeit noch bedarf, bis er sich, durch sein gesteigertes Talent, in eine bequemere Lage versetzen kann.

Ich wünsche daß Sie sich durch diese Betrachtungen beruhigt fühlen, um so mehr als ich versichern kann daß es nur von dem Betragen des jungen Mannes abhängen wird, bey uns in gutem Verhältniß zu stehen und zu bleiben.

Weimar d. 1. Sept. 1803.

J. W. v. Goethe.

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