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An Johann Gottfried Herder

Tischbeins Verhältniß zum Herzog steht sehr fatal. Ich hatte alles auf gutem Wege, der Herzog war in den besten Intentionen; ein Brief von Reiffenstein hat alles umgeworfen. Ich habe den Brief nicht gesehen, auch den Herzog diese Zeit her nicht gesprochen, ich kann also nur ohngefähr rathen, wie der Alte zu Werke gegangen ist. Der Herzog von Gotha will von einem Maler, den er pensionirt, auch was sehen und will doch auch diesen Maler einmal bei sich wissen,[91] wenigstens voraussehen, daß er einmal kommen wird. Tischbein dagegen ließ sich auf das ungeheure Bild der Helena ein, das er zuletzt stehen ließ, schickte in 3 Jahren nichts an den Herzog, glaubte zuletzt ihn entbehren zu können, und zog die Pension nicht mehr. Dieses geschah von der Zeit an, als er nach Neapel ging, und er erklärte mir selbst, daß er sich von dem Herzog getrennt ansähe. Tischbein ist mit allen guten Qualitäten ein wunderliches Thier, ein Art Hasenfuß, ist faul, unzuverlässig, seitdem er von den Italiänern in das Metier der Falschheit, Wort- und Bundbrüchigkeit zu pfuschen gelernt hat. Sich zwischen den Herzog und ihn zu stellen, ist ein böses Unternehmen, doch habe ich es nach meiner Rückkunft gewagt, weil ich aus Tischbeins Briefen merkte, daß es mit seinem neapolitanischen Zustande nicht ganz just war. Jetzt aber kann ich nichts weiter thun, weil ich, um den Eindruck von Reiffensteins Brief auszulöschen, mich stärker für Tischbein verbürgen müßte, das ich nicht kann und mag. Denn eigentlich ist es Tischbein mit der Gothaischen Pension und Retraite nach Deutschland gar nicht ernst. Er will nur eine Hinterthüre offen behalten, woran er auch ganz recht hat. Wenn es unser Herzog wäre, dem sagte ich gerade, wie die Sache steht, und der wäre großmüthig genug, das so gehn zu lassen. Der Herzog von Gotha aber will für sein Geld was haben, und was man ihm zusagt, soll man halten.

[92] Ich habe es vorausgesehen, daß Tischbein nicht reussiren würde. Er halt sich für fein, und ist nur kleinlich, er glaubt intriguiren zu können, und kann höchstens die Leute nur verwirren. Er ist unternehmend, hat aber weder Kraft noch Fleiß zum Ausführen. Einen subalternen impiccio weiß er noch leidlich zu leiten. Über Deutsche hat er durch die Exuvien von Redlichkeit, mit denen er sich aufstutzt, und durch seine harmlos scheinende naive Hasenfüßereien eine Weile ein Ascendant. Ein Nachklang von Gemüth schwankt noch in seiner Seele. Es ist Schade um ihn.

Ich kenne ihn recht gut, und wußte, daß er mich in einigen Jahren würde sitzen lassen; ich habe aber doch gewagt, ihm den Herzog zu versöhnen. Interim aliquid fit! dachte ich. Allein der Alte hat mit seiner Tatze mir alles verdorben. Der und Hackert verstehen das Handwerk, und Tischbein wird zwischen zwei Stühlen niedersitzen, ohne daß ihm jemand helfen kann.

So steht das ohngefähr. Laß meinen Brief niemand sehen, vorzüglich um Tischbeins willen. Ich sage niemand, wie ich von ihm denke. Wer mit ihm zu thun hat, mag ihn selbst kennen lernen.

Dein Leben in Neapel freut mich; es wird dir ein heller, lichter Blick durchs ganze Leben bleiben. Ich habe mich schon wieder eingehamstert und bin wohl auch nach meiner Art recht vergnügt. Trutz Schnee[93] und Himmelblau laß ich mir das Beste von Kunst und Natur fürtrefflich schmecken, und habe meine ganze Einrichtung ad intus gemacht.

Vom Tasso, der nun seiner Verklärung sich nähert, habe ich die erste Scene im Kreis der Freunde publicirt. Deine Frau und Knebel haben sie am meisten genossen und durchgefühlt. Ich habe diesen Prologus mit Fleiß dem Werke selbst vorausgeschickt.

Lebe wohl. Empfiehl mich der Herzogin und allen. Ich kann niemanden schreiben.

Meine Schriften achter Band sind nach Rom. So bald Tasso fertig ist, soll eine Abschrift an Angelika abgehn. Das mag denn für eine Menge Briefe gelten.

Frau und Kinder sind wohl. Heut Abend werd' ich dort sein und dein gedenken.

Weimar den 2. März 89. Amalientag.

G.

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