[203] 6/1796.
An Charlotte von Stein
Cassel d. 2. Oktbr. 83.
Wir sind nun hier und sehr vergnügt, verzeihe nur l. Lotte daß wir so lange ausbleiben. Wenn es Fritzen nachginge, so müsste ich nach Franckfurt, er plagt mich und thut alles mich zu bereden. Wenn ich ihm sage seine Mutter sey allein; so versichert er mir die meinige würde ein groses Vergnügen haben uns zu sehn u.s.w.
Ich bin an Hof gewesen, und werde überall sehr gut aufgenommen, den gleichgültigen Menschen begegne ich nach der Welt Sitte, den guten begegne ich offen und freundlich und sie behandlen mich dagegen als wenn mich der Verstand mit der Redlichkeit erzeugt hätte, und diese Abkunft etwas weltbekanntes wäre.
Das Wetter ist unendlich schön. Und ich habe Augenblicke und Anblicke wo ich dich sehnlich an [203] meinen Arm wünsche. Du bist das liebste womit ich alle schöne Gegenden ziere.
Du wirst geliebt wie du es wünschest, und ich kann allein in dir finden was ich mein ganzes Leben durch gewünscht habe, das wirst du recht lebendig an der Erzählung vernehmen die ich dir von dieser Reise ma chen werde.
Ich sehe sehr schöne und gute Sachen und werde für meinen stillen Fleis belohnt.
Das glücklichste ist daß ich nun sagen kann, ich bin auf dem rechten Wege, und es geht mir von nun an nichts verlohren.
Lebe wohl. Ich dencke Sonntags d. 5. von hier ab und nach Eisenach zu gehn und dann schnell zu dir welche Freude dich wieder zu sehn und für immer dein zu seyn.
G.