6/1951.

An Charlotte von Stein

[Eisenach] d. 23. Jun. 84.

Es ist noch immer im Alten und ich habe dir nichts neues zu sagen, dieser Monat und die ersten [309] Tage des folgenden gehn noch vorüber eh ich dich sehn werde. Ich warte wieder sehnlich auf Briefe und freue mich iedes Tags der vorüber ist. Sonst geht mir's wohl ich bin artig gegen die Menschen und altes ist freundlich, mein Geist ist immer heimlich nach dir gerichtet.

Die Seckendorf und Carolingen sind hier, die letzte geht mit der Gräfinn Backov wieder fort.

Habe ich dir schon gesagt daß Osann hier ist, daß die Herzoginn sich besser befindet, und iedermann an Hofe auch für seine eigne Person voll Trostes ist. Mir ist es um deinetwillen ein Geschenck, da er nun bey uns bleibt wird er dir von groser Hülfe seyn. Denn ich bin täglich mehr überzeugt der alte sah zuletzt für lauter Wissenschafft gar nichts.

Je älter man wird desto mehr verschwindet das einzelne, die Seele gewöhnt sich an Resultate und verliert darüber das Detail aus den Augen. So glaub ich auch der Alte sah zuletzt nur die Kranckheit nicht den Krancken. Auch ist das Glück und die Frauens für die Jugend, sie bedarf keiner Hülfe und ist Hülfe reich.

Das böse Wetter hindert mich an meinen Felsen Spekulationen, eh ich weg gehe will ich noch ein Paar Tage dran wenden und die Gebürge durchstreichen. Wenn ich mir nur ein Andencken für dich irgendwo aussinnen könnte. Ich hatte vor in irgend einen Felsen einhauen zu lassen:


[310] Was ich leugnend gestehe und offenbarend verberge
Ist mir das einzige Wohl, bleibt mir ein reichlicher Schatz
Ich vertrau es dem Felsen damit der Einsame rathe
Was in der Einsamkeit mich was in der Welt mich beglückt.

Eben da ich dieses schreibe kommt dein lieber Brief, und ein Brief von meiner Mutter den ich dir mitschicke.

Wie dancke ich dir für deine Liebe meine beste und daß du sie so ausdrücken magst. Wie eifrig hoffe ich auf's wiedersehn.


d. 24. Jun.

Gestern war ich bey Streibers zu Tische und ganz vergnügt. Du kannst meine treue Seele auch daran erkennen daß ich auch meiner hiesigen Inklination treu bin. Da Vicktorgen nicht koquett ist und doch artig, unterhaltend und nicht zärtlich so erlaubst du mir ia wohl daß ich ihr freundlich bin.

Ich sinne noch immer wie und wo ich die Innschrifft anbringen soll. Hier ist noch eine die ich der Hermannsteiner Höhle zugedacht habe.


Felsen sollten nicht Felsen und Wüsten Wüsten nicht bleiben
Drum stieg Amor herab sich und es lebte die Welt.
Auch belebt er mir die Höle mit himmlischem Lichte
Zwar der Hoffnung nur doch ward die Hoffnung erfüllt.

[311] Nur noch eh ich zu Bette gehe ein Wort für tausend. Es wird mir so ein unüberwindlich Bedürfniß dich zu sehen daß mir wieder einmal für meinen Kopf bange wird. Ich weis nicht was aus mir werden soll. Gute Nacht. Wie sehr fühle ich die Glückseeligkeit des Schlafs.


d. 25ten.

Heute hab ich recht im Ernste überlegt ob ich nicht auf einen Augenblick zu dir eilen soll. Es geht nicht und geht nicht, ich muß meine Geduld zusammen nehmen.

Ich schicke dir recht wunderbare Briefe die ich erhalten habe die dich erfreuen werden, hebe mir sie auf bis ich wieder zu dir komme. Heut Abend muß ich zu Herda wie wohl wäre es mir wenn ich mich ausziehen und zu Hause bleiben dürfte.

Merckens Glückseeligkeit freut mich herzlich. Ich lebe nur in dir und bin glücklich daß ich dir alles mittheilen kann.


Nachts.

Gute Nacht Liebste. Fritz tanzt im Hemde zu Bette, ich habe ihn herzlich an mich gedrückt und fühle daß ich nur gern um seinet und deinetwillen lebe.

[312]

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