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An Sulpiz Boisserée

Mich freut gar sehr, daß Sie das Symbol meines Danks so freundlich aufgenommen; ich hätte es mit Juwelen einfassen können, und es wäre noch nicht genug gesagt. Möge dieß unser künftiges Zusammenwirken immerfort freudig aussprechen.

Der Probedruck des Domblatts ist glücklich angelangt; welches Wohlgefallen er bey uns erregt, davon gebe Beykommendes ein Zeugniß. Können Sie mir es so lange lassen, bis wir die Einwirkung des [71] Grabstichels dagegen sehen können, so erweisen Sie mir einen besondern Gefallen; freylich wäre der Besitz eines solchen und der folgenden Probedrücke höchst wünschenswerth zu bedeutender Aufklärung dessen, was gegenwärtig in diesem Fache geschehen kann.

Mit nächstem sende auch die von mir ajustirte Recension der letzten lithographischen Lieferung, es wird Zeit bleiben, daß Sie mir solche mit Bemerkungen zurücksenden.

Grüßen Sie die Familie Paulus zum schönsten; ich kann mir ihren Zustand denken; die Jugend erlaubt sich manche Willkür, das Alter gehorcht unwillig der Nothwendigkeit.

Kennen Sie etwa in Frankfurt einen Doctor Clemens? er schrieb mir zu Anfang des Jahrs und gedachte mir die Übersetzung und Bearbeitung Darwinischer Productionen zu widmen. Damals konnte ich weder rechts noch links sehen, jetzt bin ich, wie Sie selbst wissen, etwas freyer, und Sie können vielleicht an den guten Mann von mir ein freundliches entschuldigendes Wort sagen.

Wie wär es, wenn Sie die Pflänzchen unserer theuern Müllerin zur Pflege übergäben? Ich schickte Ihnen, wenn Sie nach Stuttgart kommen, frische Blätter, denen Sie denn auch eine freundliche Aufmerksamkeit schenkten. Das immerfort wachsend Lebende ist doch ein gar zu hübsches Bild und Gleichniß des Wesens, von dem wir uns kein Bild machen sollen.

[72] Hofrath Meyer, der Stimmführer Weimarischer Kunstfreunde, erfreute mich noch vor seiner Abreise mit dem Blatt, dessen Copie Sie erhalten. Er geht, begleitet von seinem Arzt, nach Carlsbad; möge er uns erneuert wieder gegeben werden. Es thut mir leid, daß seine Tabelle zur Kunstgeschichte bis auf Alexander den Großen nicht zu Ihrer Zeit schon an meiner Wand hing. Für wahre Kunstfreunde ist es ein großes Geschenk, eine vierzigjährige Arbeit, die uns aus vieler Verwirrung heraushilft. Zwar die Herren Thiersch und Consorten werden versichern, es sey anders oder vielmehr ganz und gar nichts. Doch werden wir, als Kenner guter Weine und ihres Unterschieds, uns von solchen Unberufenen ohne Nase und Gaumen nicht hindern lassen, das Genießbare zu genießen, das Nutzbare zu nutzen und das Fürtreffliche zu verehren.

treulichst

Weimar den 27. Juni 1826.

Goethe.


Ein Brief durch Burgemeister Thomas, vom 16. Juni d. J., wird Ihnen zugekommen seyn.

[Beilage.]

Unserm Ermessen nach kann das hier anzuzeigende Blatt für ein wahres Meisterstück in seiner Art gelten. Im Ganzen ist die Haltung sowohl als die Luftperspective trefflich beobachtet, die Beleuchtung nicht gar zu künstlich, sondern alle gewaltsamen Schatten und [73] Gegensätze mit Sorgfalt vermieden. Das von einfallenden Sonnenstrahlen bewirkte Dunstige, im entferntern Theile des Gebäudes, nach der offenstehenden Hauptpforte hin, durch welche so eben eine Procession einzieht, thut die beste malerische Wirkung. Überhaupt genommen, möchte sich keine große Anzahl architektonischer Darstellungen in Kupferstich finden, welche der gegenwärtigen an Deutlichkeit, räumlichem, großartigem, vom Ganzen bewirkten Eindruck gleich zu schätzen wären; so hochgewölbt, steinern, fest, auf ewige Dauer berechnet, scheint alles über einander gebaut dazustehen. Auch die im Costume der Vorzeit auftretenden Figuren, welche das Ganze zweckmäßig staffiren, verdienen ehrenhafte Erwähnung. Was der Grabstichel durch zartere Ausführung zum guten oder bessern Ansehen dieses in allen Theilen verdienstlichen Kupferblatts noch hinzufügen könne, wird die Folge ausweisen, dem blos auf das Wesentliche sehenden Kunstfreund ist Herrn Leisniers Arbeit jetzt schon vollkommen genügend.

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