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An den Herzog Carl August

[zwischen 25. und 26. December.]

Das Eis des mittheilenden Schreibens ist einmal gebrochen und ich fahre bequemer fort noch einiges nachzubringen, wenn ich gleich, als handschreibend, mich immer mehr papalysirt fühle.

Den neuen, lange erwarteten Ankömmling habe ich gesehen, er ist wohlgebildet und hat eine gute Farbe und verspricht zu leben. Möge er wenn er [199] einst die Welt erkennt sie lustiger finden als sie uns nun erscheint! ich bin zu alt ihn einzuführen; doch vielleicht kann ich ihm noch etwas werden. Auch die Zimmer der Mutter sind wieder ordentlich hergestellt, und anständig und bequem, danck sey es der Tischlerfertigkeit, die das zerschlagne und zerstoßne Holz bald wieder in Restauration gebracht haben. Glücklich alle Handwercker! deren Arbeit ohne Verlust des zerstörten wieder hergestellt werden kann, durch Hans und Kunz und wie sie heisen.

Erlauben Sie daß ich so fortfahre! es würde besser werden es sich ziemte daß ich dicktirte. Wo wir jetzt einen Anfang des Lebens erblicken hat es einen besonderen Reiz der Hoffnung; kann sich nun die Liebe daran schliesen; so ist der Glaube sogleich unfehlbar da und die Sache ist gemacht, indem wir überzeugt sind daß alles zu Grunde geht.

Den Prinzen August hab ich einen Augenblick in einer für uns beyde peinlichen Lage gesehen. Er bestellte bey mir ein Monument für den Grafen Schmettau. Ich will gern, dieser Pietät im Eingang, ein Schickliches besorgen und habe die Anstalten gemacht daß ehrenvoll und geschmackvoll geschehe.

Wenn mann übersieht was verlohren ist; so freut man sich billig doppelt des Erhaltenen. Die Bibliotheck ist wundersam erhalten. Die Thüre konnten sie nicht einsprengen, sie sägten die Gitter entzwey, schlugen die Thüre der Communarchiv auf [200] und fanden die ihnen verwünschten Papiere und Acten, das hat den untern Stock gerettet.

Aufgebrochen haben sie die Expeditionszimmer, Kleinigkeiten entwendet; sie sind durch alle Etagen der Bibliotheck durchgestigen, haben nur einige Stücke grüner Leinwand mitgenommen. Nichts ist beschädigt, und wir sind für diese erste Zeit als wenn nichts gewesen wäre. Daß wir Denzel manches schuldig sind ist mir wahrscheinlich.

Bald hätte ich vergessen zu sagen daß das Münzkabinett in der Angst der letzten Tage nach Alstedt geflüchtet ward. Auch darnach war große Nachfrage. Nun kann es zurückkehren und soll hoffentlich Sie an Ort und Stelle begrüßen.

Der gute Kraus ist auch in diesen Schicksalen zerkniescht worden. Wir haben gesucht das Institut, das gewiß ein Lebenspunckt der Weimarischen Thätigkeit ist, frisch zu erhalten. Meyer zeigt seine alte didacktische Tugenden und die Schüler vermehren sich wöchentlich. Sie wollen das Unheil vergessen und etwas für die Folgezeit werden. Daß das nicht in's Blaue gehe dafür ist durch Ernst gesorgt.

Die hindernden Statuen, aus dem bekannten Saale, haben wir auf die Bibliotheck gebracht, wo sie zieren und erfreuen und wo sie sogar dem Nachzeichnenden mehr nützen könnten. Manche andere Anstalten innerhalb dieser werden Sie bey Ihrer Rückkehr gewiß erfreuen, es ist auf's nothdürftige Leben und beyher,[201] oder hinterher, oder wie man will auf's erfreuliche Leben angesehen.

Nach Jena zu gehen konnt ich mich nicht entschliesen, so wie ich manche Briefe an Sie wie diesen schon zerrissen habe. Die Umwendung der Dinge steht einem noch zu nahe, alles was man sagt ist unzulänglich oder unzulässig und so schweigt man lieber oder nimmt sich zurücke als daß man spräche.

Am Mineralogischen Kabinet ist nichts verrückt, Weniges entwendet. Die Büttnerische Bibliotheck in salvo und doch war ein Lazareth im Mittelstock, ist noch dort. Darüber freuen wir uns billig jetzt; denn bisher mußte man mit neuem Tage eine neue Requisition erwarten und oft eine närrische, worunter man litt, und zwar doppelt.

Der Botanische Garten hat wenig gelitten, das Haus mehr, am meisten der gute und man darf sagen treffliche Schelver er ward biß auf's Hemd a diverses reprises, ausgeplündert und ging mit einem blessirten Offizier, der Vertrauen zu ihm faßte, fort, und ich weiß nicht wohin.

Vom Theater als dem bedeutendsten sollt ich auch wohl was sagen. Was läßt sich aber davon sagen als was von der Welt zu sagen ist: Sobald die grimmige Noth vorbey war, da traten alle Leidenschafften, biß zur gemeinsten, in ihre Rechte. Wir erhalten das nie wieder herzustellende Ganze, biß die herrschenden Umstände eine Dauer oder eine Auflösung gebieten.

[202] Doch alles das muß Ihnen vorkommen, da Sie die größten Interesses erst Ihres Häufleins, und da das nicht mehr zu halten war, das Weitere und Grössre im Auge hatten. Und doch mache ich mir Vorwürfe daß ich nicht die früheren Blätter die ich vollschrieb abschickte , Freylich waren sie, noch mehr wie diese, einem aufgeregten und sorgenvollen Gemüth entquollen. Doch aber wäre es Ihnen vielleicht wenn auch schmerzlicher doch erquicklicher gewesen. Genug das Vergangene ist vorbey und ich muß mich hüten diese Scribalien nicht wie die vorigen in den Windofen zu stecken.

Besinn ich mich aber was ich Ihnen noch Angenehmes sagen möchte; so ist es das was mich, nach entsetzlichen Klagen der besten Freunde, immer noch erfreut, daß der Schaden im Park nämlich ganz null ist. Die Belvederische Chaussee unangetastet. Der Stern unverletzt und nichts abgehauen als was Sie gegenwärtig in vierzehn Tagen, vielleicht mit anmuthigern Pflanzungen, wiederherstellen würden.

Befehlen Sie nur daß man römische Haus zu Ihrem Empfang bereite! mit wenigem sind die Spuren des Unheils ausgelöscht.

Hätte ich nicht so manches an Sie geschriebene Papier vertilgt; so schickt ich sie jetzt alle, es wäre doch ein interessantes Tagebuch unsrer Leiden und [203] Gesinnungen. Diese Blätter will ich eilig numeriren und siegeln, sonst trag ich wieder Bedencken.

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