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An Johann Friedrich Reichardt

Sie haben sich also endlich nach einem gefährlichen Sturm auf ein ruhiges Plätzchen in Sicherheit gesetzt, wozu ich Ihnen von Herzen Glück wünsche. Ich dachte wirklich nicht, daß es noch so gut abgehen würde. Mögen Sie recht lange diese Ruhe genießen. Die Partitur von Erwin und Elmire ist in meinen Händen. Das Geld dafür, wie auch für das Te Deum, werde ich Ihnen nächstens überschicken. Die Aufführung jenes Stücks, so wie der Claudine, wird wohl bis auf künftigen Winter anstehen müssen. Wir haben an Gatto einen trefflichen Bassisten und lebhafter Akteur. Übrigens muß unsere Oper sich noch verbessern. Wissen Sie nicht irgendwo eine Sängerin mit der man Ehre einlegen könnte? Die arme Lebrun ist ihrem Manne bald nachgefolgt. Die beiden Leute habe ich sehr bedauert. Im Ganzen, macht mir unser Theater Vergnügen, es ist schon um Vieles besser, als das vorige, und es kommt nur darauf an, daß sie sich zusammen spielen, auf gewisse mechanische Vortheile aufmerksam werden und nach und nach aus dem abscheulichen Schlendrian in dem die mehrsten deutschen Schauspieler bequem hinleiern, nach und nach herausgebracht werden. Ich werde selbst einige Stücke schreiben, mich darinne einigermaßen dem Geschmack des Augenblicks nähern und sehen, ob man sie nach und nach an ein gebundenes, kunstreiches Spiel [263] gewöhnen kann. Moritz hat mir einige sehr vergnügte Tage gemacht. So krank er war, so munter und lebhaft war sein Geist. Er hat sich in den wenigen Jahren da ich ihn nicht gesehen habe, unglaublich ausgebildet und ist in allen denen Sachen die er unternommen hat, wo nicht am Ziel, doch wenigstens immer auf dem rechten Wege. Ich habe fast alles, was ich sowohl in der Kunst als Naturlehre und Naturbeschreibung vorhabe, mit ihm durchgesprochen und von seinen Bemerkungen manchen Vortheil gezogen. Seine Krankheit und die Kürze der Zeit hat ihn gehindert zu Ihnen zu kommen. Lassen Sie mich bald hören, wie Sie sich in Ihrer neuen Lage befinden. Unter den Arbeiten die mich jetzt am meisten interessiren, ist eine neue Theorie des Lichts, des Schattens und der Farben. Ich habe schon angefangen sie zu schreiben, ich hoffe sie zu Michaeli fertig zu haben. Wenn ich mich nicht betrüge, so muß sie mancherlei Revolutionen sowohl in der Naturlehre als in der Kunst hervorbringen. Beiliegendes Blättchen macht Sie auf einen Namen aufmerksam der Ihnen künftig gewiß sehr ehrwürdig seyn wird. Leben Sie wohl. Lips wird etwa in 14 Tagen mit meinem Bildniß fertig seyn. Da er aber nach Kassel gehen muß um es abdrucken zu lassen, so wird sich die Ausgabe desselben verziehen.

Weimar den 30. Mai 1791.

Goethe. [264]

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