6/1755.

An Carl Ludwig von Knebel

Es freut mich recht sehr daß du meinen Wilhelm so gut aufgenommen hast und daß du mir deine Gedancken darüber sagen magst. Was du daran lobst habe ich wenigstens zu erreichen gesucht, bin aber leider weit hinter meiner Idee zurückgeblieben. Ich selbst habe auch keinen Genuß daran, diese Schrifft ist weder in ruhigen Stimmungen geschrieben, noch habe ich nachher wieder einen Augenblick gefunden, sie im ganzen zu übersehen. Und selten daß ein Leser bestimmt sagen kann was ihm wohlgethan hat. Das vierte Buch ist zur Hälfte fertig. Vielleicht ruckt die so andre Hälfte bald nach, alsdenn sollst du es bald haben. Schicke aber doch die drey Bücher die in [176] deinen Händen sind meiner Mutter, sie und andre, denen ich angekündigt, warten sehnlich darauf. Du kannst sie einmal wieder haben.

Der Prinz ist wieder hier! Ich fürchte seine Verirrungen werden ihm auf Zeitlebens eine falsche Falte lassen.

Lebe wohl und geniese der Ruhe die dir geschenckt ist. Zu uns zu kommen, würde ich dir iezt noch nicht rathen, vielleicht kommt eine Zeit da du mit denen Menschen leben kannst die dir so nahe verwandt sind ohne sie und dich unglücklich zu machen.

Grüse deine Frl. Schwester. Schreibe mir manchmal. Frau v. Stein lässt mich deine Briefe lesen, die mir wohlthätig sind. Adieu.

d. 3. Jul. 83.

G.

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