8/2538.

An Johann Gottfried und Caroline Herder

abg. d. 16. Dec.

Rom d. 13. Dezbr. 86.

Wie herzlich freut es mich daß Ihr mein Verschwinden so ganz wie ich wünschte genommen. Versöhnt mir Fr. v. Stein und den Herzog, ich habe niemand kräncken wollen und kann nun auch nichts sagen um mich zu rechtfertigen. Gott behüte mich [88] daß ich jemals mit den Prämissen zu diesem Entschluße einen Freund betrübe.

Ich erhole mich nun hier nach und nach von meinem Salto mortale und studire mehr als daß ich genieße. Rom ist eine Welt und man brauchte Jahre um sich nur erst drinne gewahr zu werden. Wie glücklich find' ich die Reisenden, die sehen und gehn.

Heute früh fielen mir Winckelmanns Briefe, die er aus Italien schrieb in die Hand. Mit welcher Rührung hab ich sie zu lesen angefangen! Vor 31 Jahren in derselben Jahrszeit kam er, ein noch ärmerer Narr als ich, hierher, ihm war es auch so deutsch Ernst um das Gründliche und sichre der Alterthümer und der Kunst. Wie brav und gut arbeitete er sich durch! Und was ist mir nun das Andencken dieses Mannes auf diesem Platze.

Ausser den Gegenständen der Natur die in allen ihren Theilen wahr und konsequent ist, spricht doch nichts so laut als die Spur eines guten verständigen Mannes. Hier in Rom kann man das recht fühlen wo so manche Willkührlichkeit gewüthet hat, wo so mancher Unsinn durch Macht und Geld verewigt worden.

Eine Stelle in Winckelmanns Briefen an Francken freute mich »Man muß alle Sachen in Rom mit einem gewißen Phlegma suchen, sonst wird man für einen Franzosen gehalten. In Rom, glaub ich, ist die hohe Schule für alle Welt, und auch ich bin geläutert und geprüft.«

[89] Das gesagte paßt recht auf meine Art den Sachen hier nach zu gehn und gewiß man hat außer Rom keinen Begriff wie man hier geschult wird. Man muß so zu sagen wiedergebohren werden und man sieht auf seine vorigen Begriffe wie auf Kinderschue zurück. Der gemeinste Mensch wird hier zu etwas, wenigstens gewinnt er einen ungemeinen Begriff wenn es auch nicht in sein Wesen übergehen kann.

Münter ist hier auf den das wohl nicht paßen mögte er scheint toller wegzugehn als er gekommen ist. Vorher hab ich ihn nicht gekannt. Er verreist bald und wird euch besuchen, laß dir von ihm erzählen und du wirst verstehen was ich meyne. Tischbein ist ein trefflicher originaler Mensch, der mir Rom lebendig macht. Moriz der Fusreiser ist hier, hat den Arm gebrochen und leidet viel. Wir leiden alle mit ihm, es ist ein gar guter, verständiger aus und durchgearbeiter Mensch.

Von Kunstsachen mag ich gar nicht reden und von der Nation wird mir auch schweer etwas zusammen zu faßen, in der Folge, oder am besten mündlich, wird das schon beßer kommen.

Aus Eurem Briefe sey ich mit Freuden daß es mit dem Druck meiner Sachen langsam geht, daß also Iphigenie nicht zu spät kommt. Ich scheide mich ungern von ihr, Weynachten soll sie denn doch fort. Zugleich kommt die Zueignung. Ich habe einen sonderbaren Einfall gehabt, ich wünsche daß er Euren Beyfall [90] erhalte. Herzlichen Theil nehm ich an Eurem Hauskreutze, durch Moritzens Unfall ist auch ein † in unsre kleine Societät gekommen, die sich so schön als möglich anließ. Wenn man nur des guten Tags immer zu brauchen müßte, mit dem Morgen ist's so eine Sache. Diese Reise wird hoffentlich auf mein Ganzes Wesen einen gesegneten Einfluß haben. Wie Iphigenie fort ist geht es an Egmont! Was ich für Wilhelmen aufpacke sollt ihr dereinst mit Vergnügen genießen. Lebet wohl und schreibt mir oft. Dieser Brief kommt euch zum neuen Jahre, das beste Glück zum Anfang. Das vergangne war das wichtigste meines Lebens, ich mag nun sterben, oder noch eine Weile dauren, in beyden Fällen war es gut. Adieu ich muß den Kindern noch etwas sagen. Liebt mich.

G.


Sehr oft, ihr lieben Kinder, wünscht ich daß ihr das Gute mit mir genießen könntet, das mir so reichlich bescheert ist. Man merckt den Winter nicht, die Gärten sind mit immergrünen Bäumen bepflanzt, die Sonne scheint hell und warm, Schnee sieht man nur auf den entferntesten Bergen gegen Norden. Die Citronenbäume, die in den Gärten an den Wänden gepflanzt sind, werden nun nach und nach mit Decken von Rohr zugedeckt, die Pomeranzen Bäume aber bleiben frey stehn. Es hängen viele Hunderte der schönsten Früchte an so einem Baume, der nicht wie[91] bey uns beschnitten und in einen Kübel gepflanzt ist, sondern in der Erde frey und froh in einer Reihe seiner Brüder steht. Man kann sich nichts lustigers dencken als einen solchen Anblick. Für ein paar Groschen isst man soviel man will, sie sind schon jetzt recht gut, im März werden sie noch besser seyn.

Neulich waren wir am Meere und ließen fischen. Da kamen die wunderlichsten Gestalten von Fischen und Krebsen zum Vorschein, auch der Elecktrisir Fisch, der wenn man ihn anrührt einen Schlag wie die Elecktricität giebt.

Hier in Rom ist alles voller Gemälde und Statuen und die schönsten Granite, Porphyre, Marmore, kann man hier an allen Orten und Enden sehn. Lebt wohl und schreibt mir offt, ich habe euch sehr lieb und werde euch dereinst viel erzählen.

G.


Gedenckt des Phasanen Traums der nun in Erfüllung geht, wenn nur das Ende tröstlicher wird!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek