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An den Herzog Carl August

Rom d. 7. [und 8.] Dec. 87.

Sie muntern mich auf manchmal etwas von mir hören zu laßen und ich nehme die Feder um ein und den andern Punckt meines täglichen Lebens zu berühren. [300] Schon lange habe ich mir Vorwürfe gemacht: daß ich nicht etwas von meiner Arbeit es sey an Zeichnungen, oder an Betrachtungen über die Kunst überschickt habe, allein wenn ich selbst Künstler die hierherkommen betrachte; so finde ich meine Entschuldigung. Jeder, der nun endlich Rom erreicht hat, denckt er wolle nun erst recht fleisig seyn, recht fort arbeiten, fort dencken pp und er spürt nur gar zu bald daß er wieder zurück lernen muß, daß er seinen Grund tiefer graben stärcker und breiter legen muß. Er muß den Aufwand an Zeit und Kräften erst in die Erde verstecken, um in der Folge, wenn das Glück will, sein Gebäude aufführen zu können. Mit dem Beurtheilen ist es das Gleiche und ich sehe jetzt nach Verlauf eines Jahrs, an andern, die hierherkommen, wie ich die Sachen im Anfange ansah. Wie die Kindheit und Jugend ihre eigne Vorstellungs Art hat; so giebt es auch eine eigne Reisenden und Dilettanten Vorstellungs Art, die eigentlich nicht unrichtig nur verhältnißmäßig ist.

Meinen geschnittenen Stein Handel habe ich fortgesetzt und für wenig Geld artige Sachen zusammengekauft. Man muß von Zeit zu Zeit etwas von den Leuten nehmen, um in Connexion zu bleiben und sie kennen zu lernen, wenn man etwas gutes erwischen will. Aus den Händen der großen Händler muß man nichts nehmen, das ist für Russen und Engländer.

[301] Für Sie habe ich einen Einschnitt im Auge, er ist von guter Arbeit und ein interessantes, von den alten oft wiederhohltes Süjet, die Herakliden wie sie die wiedereroberten Länder durchs Los theilen.

Ich lege die Zeichnung aus den Monumenti inediti bey. Noch will der Händler mit dem Preis zu hoch hinaus. 15 bis 20 Zechinen, mehr muß man nicht dafür geben, sonst ists kein Spas. Die Juden sind nur alle zu klug geworden. Es wird von Fremden ein ungeheuer Geld für diese Sachen, besonders für Cameen ausgegeben. Es ist freylich reitzend, faßlich, transportable. Indeß muß man nicht mehr Werth hinein legen als es hat, denn große Kunstwercke sind wenig unter allen geschnittnen Steinen in der Welt und ein Gypskopf ist im Grunde ein würdigerer Gegenstand, als viele solcher Spielwercke. Wie freue ich mich auf die Zeit da wir zusammen das Stoschische Cabinet in Potsdam sehen werden, das Ihnen wohl nicht verschloßen bleiben wird. Das Ende meiner Bemühungen und Wandrungen, ist und bleibt der Wunsch Ihr Leben zu zieren. Möge er mir gewährt werden.

Nun noch ein Wort, das sich auf Ihre innere Wirthschafft bezieht und das ich biß auf meine Rückkunft nicht versparen will: Ich wünschte Sie veranlaßten Schmidten, daß er Seideln, der Ihnen nun eine Zeitlang in der Stille und im kleinen dient, näher prüfe und sich selbst überzeuge wie und wozu [302] dieser Mensch brauchbar ist. Ich will ihn nicht unbedingt empfehlen, weil er der Meinige war und im edelsten Sinne mein Geschöpf ist; aber ich wünsche daß man ihn kennen lerne. Wenn Bachmann abgeht, wird eine große Lücke erscheinen, die vielleicht weniger mercklich gemacht werden könnte, wenn man einen solchen durchaus treuen, arbeitsamen, verständigen Menschen dazu vorbereiten ließe. Er ist schon an Bachmanns Seite, kennt die Sachen gut und hat einen richtigen Blick. Er ist jung und auf eine Zeit hinaus von ihm etwas zu hoffen. Lassen Sie ihn prüfen, prüfen Sie ihn bey Ihrer Rückkunst selbst, ich müßte mich sehr betrügen, wenn Sie in dieser Classe Menschen einen gleichen fänden. Nächstens mehr. Leben Sie tausendmal wohl und erwidern meine Liebe.

G.


Rom d. 8. Dez. 87.

Heute erhalte ich Ihren werthen Brief von Overtoon und lege noch ein Blat zu dem schon geschriebnen. Mein Herz geht wieder auf in der Hoffnung Sie zu Hause zu wissen, mein Wunsch wird wieder lebendig an dem Orte zu seyn, von dem, doch im Grunde, Ihre Abwesenheit nur mein Gemüth entfernte. Ich dancke Ihnen für die Nachrichten die Sie mir von Ihrer Expedition geben, die freylich dem Geist unsers Jahrhunderts gemäß klüger als kriegrisch ausgegangen [303] ist. Ich leße die Zeitungen regelmäßig und bleibe im allgemeinen in der Connexion. In meinem letzten Briefe habe ich eine politische Poesie gewagt, die Sie mir verzeihen werden, doch scheinen die neusten Operationen der Cabinette, meine Sorge, wo nicht in ihrer ganzen Ausdehnung, doch in ihrer Richtung zu rechtfertigen.

Wie sehr gönnte ich Ihnen nur einen Theil des Genußes der mir so reichlich geschenckt ist und den Sie mehr als jemand verdienen. Leider haben Sie Sich zu Ihrer angebohrnen Bestimmung, die mühsam genug ist, wenn man ihr ernstlich nachgehen will, noch fremde Lasten aufgeladen, deren Schwere Sie noch oft fühlen werden. Gebe Ihnen ein günstig Geschick immer frohen Muth.

Daß Sie den Gedancken die Rembrands zu komplettiren fahren laßen, kann ich nicht anders als billigen. Beßer nach und nach beßere Abdrücke von den Hauptblättern angeschafft. Besonders fühle ich hier in Rom wie interessanter denn doch die Reinheit der Form und ihre Bestimmtheit, vor jener marckigen Roheit und schwebenden Geistigkeit ist und bleibt.

Ein Paar Blätter von Marck Anton brächt ich Ihnen gerne mit. Es sind ein Paar Blätter, ein Heil. Lorenz und ein Kindermord von ihm nach Bacio Bandinelli! Es ist eine Welt in den Blättern und gute Abdrücke davon unschätzbar. Ich habe neulich nur einen Blick in die Vatikanische Kupfer Sammlung gethan, da sind Schätze! [304] Wenn Sie wieder zu Hause sind; bitte ich einen Abend am Camin meinem Egmont zu wiedmen, könnte er Sie wieder in einer Tannröder Stimmung, welche meinem Wilhelm so günstig war, antreffen; so würde ich mich recht glücklich fühlen. Es ist gar tröstlich für den Dichter, der sichs denn doch sauer werden läßt, wenn so eine Arbeit gleich das erstemal ihre Würckung nicht verfehlt. Ich hoffe er soll Ihnen neu seyn und zugleich alte Erinnerungen anmuthig anschlagen.

Claudine und Erwin halten mich länger auf, als ich dachte, ich will sie nun gut machen in ihrer Art, besonders, da es die ersten Singspiele sind, die in meiner neuen Ausgabe vorkommen.

An Faust gehe ich ganz zuletzt, wenn ich alles andre hinter mir habe. Um das Stück zu vollenden, werd ich mich sonderbar zusammennehmen müßen. Ich muß einen magischen Kreis um mich ziehen, wozu mir das günstige Glück eine eigne Stäte bereiten möge.

Kayser ist nun hier und ich kann nicht sagen, wie sehr mich seine Gegenwart freut und erbaut. Einen männlichern, solideren Künstler habe ich nie gekannt und dabey hat er in der Vorstellungs Art eine Geschmeidigkeit, in seinem Umgang eine Grazie, die man erst nach und nach entdeckt und gewahr wird. Sein Aufenthalt hier wird ihn ganz zur Reife bringen. Er komponirt alles was an Musick [305] zum Egmont nötig ist und seine Studien darüber sind mir sehr unterrichtend.

Ich habe an Fr. v. Stein einige Zeichnungen geschickt, wäre etwas darunter was Ihnen für die Freundinnen gefiele; so steht es zu Befehl. Es ist aber auf alle Weise nichts von einigem Werthe.

Noch eine andere Übung habe ich vor: daß ich wie ehmals durch Krausen das neuste von Plundersweilern, so durch einen jungen Künstler nun heroische Süjette nach meinen Anläßen zeichnen laße. Wir sind nur im Anfange indeß kann ich hoffen daß in einiger Zeit wenigstens unser guter Wille sichtbar werden wird. Fr. v. Stein kann etwas näheres, wenigstens die Liste der Süjette mittheilen.

Leben Sie aufs beste wohl und erfreuen mich manchmal mit einem Worte. Nehmen Sie Filippo Collina ein römisches Original, das ich Ihrer Frau Mutter als Reise Maitre Jacques überschicke, in Protection. Sie können am ersten beurtheilen wie wunderlich einem verpflanzten Geschöpf seine Ortveränderung thut. Es ist ein sehr guter Mensch, wenn ich mich nicht sehr betrüge.

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