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An Carl August Varnhagen von Ense

Ew. Hochwohlgeboren

empfangen den lebhaftesten Dank für die glückliche Art und Weise wie Sie den stockenden Kahn vom Stapel laufen lassen; es bedurfte einer so frey einsichtigen Resolution um diese Anfänge dem Untergange zu entziehn. Jene redliche Bestrebungen unsrer böhmischen Freunde werden auf solcher Weise zu einiger Evidenz gebracht und es wird doch wohl als ein löbliches Unternehmen betrachtet werden, Deutsche mit Deutschen näher bekannt zu machen, da wir denn nicht [38] unterlassen können fremde Nationen anzusprechen und von ihnen angesprochen zu werden. Wollten Sie mir das Akten-Fascikelchen zurückschicken, so verwahre ich es unter meinen gränzenlosen Papiervorräthen, mit einer sich selten realisirenden Hoffnung, davon gelegentlich weiteren Gebrauch zu machen.

Herr v. Henning ward, wie er meldet, durch traurige Familien-Verhältnisse gehindert Ihre werthe Sendung selbst zu überbringen; es that mir sehr leid, denn ich hätte wohl gewünscht, durch die geistreiche Augen einmal wieder in das liebe interessante Berlin hineinzublicken.

Lassen Sie sich, wie bisher, die Angelegenheit, der ich mein Leben gewidmet habe, bestens empfohlen seyn. Ich muß mit Rührung anerkennen wie seit so vielen Jahren Sie und Ihre theure Lebensgenossin, mit mir einstimmig, sachte herangekommen sind, so daß weder Zweifel noch Zweydeutigkeit zwischen uns abwalten können; sondern jede Mittheilung nur als ein frischer gleichgestimmter Anklang begrüßt wird.

Unsrer werthen vieljährigen Freundin der Frau v. Kalb die besten Grüße und Versicherungen, daß ich unsrer früheren wahrhaft freundschaftlichen Verhältnisse stets eingedenk bin. Die Verwirrung, welche der gute Jean Paul in die deutschen Gemüther gebracht hat, konnte mich nie erreichen. Seine Briefe so wenig als seine Werke gelangten zu mir, und so kann man über das was darin steht, insofern es mich betrifft, ganz beruhigt seyn.

[39] Allerdings hätte ich von Herrn v. Henning mich auch für einen Augenblick gern in jene theologischen Unbilden verführen lassen. In diesem Puncte sind wir Weimaraner überglücklich, indem wir in dem Lande Gosen des reinen rationellen Realismus, mit ungetrübter Gewissensruhe, verharren und übrigens einen jeden nach Belieben und Fähigkeiten über Gott, Seele und Welt gerne mögen denken lassen.

Herrn Minister v. Humboldt empfehlen Sie mich zum allerbesten; lehnt er auch ab über dieses oder jenes sich öffentlich zu erklären, so bin ich doch gewiß daß es ihm manche angenehme Stunde macht, denn seine Andenken, wie allerinnigsten Freunde ist mir ganz eigen und individuell vor der Seele, da wo frühere Bezüge, deren ich so viele auf das liebenswürdigste genossen, in die Erinnerung treten.

Eine Abschrift der Stelle der Frau v. Kalb bezüglich will ich an Frau v. Wolzogen ungesäumt gelangen lassen. Wir sehen uns öfter, sie hat ihren Wohnsitz in Jena.

Wenn ich Ihnen nun versichern kann daß Ihro Kaiserliche Hoheit die Frau Großherzogin sich fortwährend alles zu thun geneigt erweist was mir in meinen Zuständen Freude machen kann, indem sie die mir noch anvertrauten Geschäfte und was mich sonst berührt, auf die zarteste und sinnigste Weise, zu fördern und mich dadurch zu überzeugen fortfährt daß manches von mir gestiftete Gute mich überleben solle, so wird [40] gewiß auch eine neigungsvolle Verehrung in Ihrem theilnehmenden Geiste immer tiefer sich einwurzeln. Auch sind es keine leeren Worte wenn ich versichere daß von Ihren früheren Schriften manchmal die Rede und nach und zu hoffenden mit Verlangen gefragt werde.

Soweit war ich gekommen als eine zweyte, so werthe Sendung bey mir einging, und ich habe Ew. Hochwohlgeboren nun vor allen Dingen zu ersuchen des Herrn Staatsminister v. Beyme, Exzellenz, meinen verpflichteten Dank auszusprechen: daß dieselben mich von jener bedeutenden Eröffnung alsobald haben in Kenntniß setzen lassen. Freylich konnte der, mit jener Erinnerung verbundene Schmerz dadurch nur gesteigert werden, indem ich erfuhr: gerade da als ich den unschätzbaren Freund nach einem strebsamen, leidensvollen Leben, in seinem 46ten Jahre scheiden sah, eben in diesem Augenblick sey die größte Beruhigung für seine späteren Tag, durch die Gunst eines großen Monarchen vorbereitet gewesen. Wie vielen andern Verdienten ist nicht Zeit her eine solche Beyhülfe zu Gute gekommen.

Gäbe es bey dieser Gelegenheit Veranlassung ferner meinen aufrichtigsten Dank recht energisch auszusprechen, den ich einem Königlichen hohen Ministerium des Innern schuldig geworden, indem die, von dem abgeschiedenen Herrn Grafen v. Bülow, mir früher gegönnten Hefte unschätzbarer Musterblätter nun in ihrer Fortsetzung und Abschluß zu mir gelangten.

[41] Da so viel Platz übrig ist, noch ein Wort, auf Veranlassung einer Stelle Ihres werthen Schreibens. Seit dreyßig Jahren ist es mir bedauerlich die deutschen bildenden Künstler auf dem schlimmsten Irrweg zu seyn, überzeugt er werde sie zur vollkommensten Richtigkeit führen. Wenn vorzügliche Talente sich aufrecht erhalten, sich auszeichnen und Bedeutendes leisten, so ist es ein Glück; aber auch diese wären besser gefördert und fecundirt wenn die falschen Maximen ihrer Umgebung ihnen nicht schadeten und vielleicht selbst in ihren Wirkungen beschränkt und beschädigt. Ich beruhige mich persönlich in Beschauung alter und neuer Kunstwerke, so viel ich um mich versammeln kann.

Gewiß haben in Berlin mehrere Kunstfreunde auf das herrliche Blatt subscribirt, welches Toschi, nach Rafaels Spasimo di Sicilia, (die Ausführung Christi mit und zum Kreuze) unternommen und angekündigt hat. Ich besitze zwey Probedrücke davon, die das möglichst Vollkommene dieser Art hoffen lassen.

Ob ich gleich noch manches zu sagen habe und Raum genug übrig ist, so schließe ich doch, damit gegenwärtiges nicht länger zurückbleibe, mich zum allerbesten empfehlend.

gehorsamst

J. W. v. Goethe.

Weimar den 25. April 1830.
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