[205] [246]19/5298.

An den Herzog Carl August

[zwischen 25. und 26. December.]

Indem ich Vorstehendes, wie so manches andre Hingeworfne, dem Papiere zumuthe erfahre ich in meiner Abgeschiedenheit daß wir Sie nicht, wie wir[246] hofften, bald wiedersehen, vielmehr daß Sie Sich ferner von uns wegbegeben wollen. Ich komme dadurch in eine kleine Verlegenheit, die klein ist; aber doch immer eine Verlegenheit, weil ich Ihnen erst später, und wenn Sie in unsre gegenwärtigen Verhältnisse scharf hinein gesehen hätten meinen Wunsch eröffnet haben würde.

Verzeihen Sie also: wenn ich von unsrer Lage und von mir selbst rede. Vorwärts geht niemand und sogar leider, jedermann zurück, und auch ich bin von allen Seiten angegriffen. Daß meiner Mutter Vermögen in Franckfurt sich verringre folgt aus der Lage; daß ich hier übel dran bin, der Nichtgeplünderte, weil man sich mit Geschencken und Gaben doch am Ende ins Gleiche setzen muß, ist eine eben so natürliche Folge. Darüber würde ich mich weiter nicht betrüben wenn ich nicht neben mir geliebte Figuren hätte, an die ich zu dencken genöthigt werde wenn Freund Hayn zu nächst an meine Thüre klopft.

Sag ich also geradezu! Um jene Wesen die mir so angelegen sind im Augenblicke auf irgend etwas anzuweisen hab ich nichts als das Haus das ich früher Ihrer vorsorglichen Güte verdancke und zu dessen Besitz mir im gesorglichen Falle nur noch ein Letztes fehlt. Damals walteten Bedencklichkeiten ob, mir es eigenthümlich zuzuschreiben, sie sind schon durch die Zeit selbst ausgelöscht. Jedermann hält mich für den Eigenthümer, ich habe in glücklichen (jetzt möchte[247] man beynahe sagen in Schlaraffen-) Zeiten, mehr als billig hinein verwendet, ich habe mich Ihrer Gabe würdig bewiesen daß ich es zum Wohlleben, sondern zu möglicher Verbreitung von Kunst und Wissenschaft einrichtete und benutze. Nun habe die derben Kriegeslasten deshalb getragen und es bedarf nur Ein Wort an Geh. R. Voigt um die Sache selbst im jetzigen Augenblick ganz in der Stille abzuthun. Sie kam bey Gelegenheit der Kriegssteuern zur Sprache, die ich abzutragen erbötig war. Dies ist also meine Bitte daß Sie mir das Gegebene geben, wofür ich mich doppelt und dreyfach zu erweisen hoffe. Es wird ein Fest für mich und die Meinigen seyn wenn die Base des entschiedenen Eigenthums sich unter unsern Füßen befestigt, nachdem es so manchen Tag über unserm Haupte geschwanckt und einzustürzen gedroht hat.

Hypochondrisch möchte ich nicht gern endigen, da es genugsam Anlässe zu traurigen Stimmungen giebt.

Gern sag ich deßwegen daß Carls-Bad mir sehr wohl gethan, daß ich keinen Haupt Anfall diesen Winter erlitten. Aber erlitten habe ich etwas vom 14. Octbr an, auch etwas phisisches das mir noch zu nahe steht um es ausdrücken zu können. Geb uns allen der Himmel Jahre um diesen Gegenstand in den Sehewinckel zu bringen.

Beym Sehen fällt mir ein und ich gedencke nicht ohne Rührung Ihrer Frage auf dem letzten Jagdgange[248] nach meiner Farbenlehre. Ich lasse daran fortdrucken und zwar mit leidenschaftlichen Eifer; denn in den schrecklichsten Momenten war mir der Gedancke an den Verlust dieser und andrer Papiere das schmerzlichste. Confiteor und so die tausendfältigsten Wünsche.

Goethe. [249]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek