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An Sulpiz Boisserée
Gegenwärtiges nur um einige so eben aus dem botanischen Garten erhaltene Blätter des Bryophyllum calycinum eilig zu übersenden. Eigne Pflanzen hab ich so schön von unten herauf in die Höhe gezogen, daß ich es nicht über das Herz bringen kann eins abzubrechen. Sie thun am besten wenn Sie ein Blatt der Länge nach in die Erde bringen, so daß die eine Hälfte in die Erde kommt, die andere außerhalb derselben bleibt.
Von den zugesagten lithographirten Blättchen liegt eine Parthie bey. Sie haben für mich selbst etwas Magisches, denn ich habe sie geschrieben und nicht geschrieben.
[155] Noch eine Frage laß ich diesem folgen: Man wünscht einem Liebhaber von Curiosis eine Artigkeit zu erweisen und hat sich eine solche Antiquität ausgedacht.
Die Frage ist: ob Sie nicht irgend ein altes Manuscript, auf Pergament, vom Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts nachzuweisen wüßten? Der Inhalt wäre gleichgültig, nur müßte solches wohl erhalten, inwendig mit Vignetten und Malereyen geziert, auch vielleicht recht eigen alterthümlich gebunden seyn.
Fände sich ein solches, so hätten Sie die Geneigtheit mir es zu schreiben und kürzlich zu melden; oder auch, wenn es sich thun ließe, wohleingepackt, mit Angabe des billigsten Preises, zuzuschicken, unfrankirt bis hierher. Sollte es nicht angenommen werden so sende es frankirt wieder zurück.
Handeln Sie hierinnen nach Umständen, vielleicht wäre es besser das Werk erst zu beschreiben und anzumelden und das Weitere abzuwarten.
Eilig wie treulich
J. W. v. Goethe.