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An Christiane Vulpius

Tübingen den 11. Sept. 1797.

Ob ich mich gleich nur langsam von dir nur immer entferne, so will ich dir doch um desto geschwinder wieder schreiben, damit du niemals an meinen Nachrichten Mangel hast, denn der Brief, wenn er nur einmal abgeschickt ist, geht doch immer seinen Gang und kommt zur rechten Zeit an, dir zu sagen daß ich immerfort an dich denke. Je mehr ich neue Gegenstände sehe, desto mehr wünsche ich sie dir [296] zu zeigen, du würdest finden daß überall grader Verstand, gute Wirthschaft und Neigung und Beharrlichkeit den Grund von allen Zuständen ausmacht, und du würdest noch einmal so gern mit mir und in dem meinigen leben, wenn du die Art zu seyn so vieler andern Menschen gesehen hättest. Besonders wünschte ich daß du die große Fruchtbarkeit, Feld, Wein- und Gartenbau, die mich bisher immer begleitet haben, hättest mit ansehen können.

Ich bin nun jetzt wieder in einem höhern Lande, wo alles weniger gedeihet, und auf meinem Wege nach der Schweiz werde ich nicht wieder in solche fruchtbare Gegenden kommen als ich verlassen habe, aber bey allem diesem werde ich deiner gedenken und werde dir um so lieber etwas davon sagen, als du auf deiner Reise nach Frankfurt schon einige Idee von dem sonderbaren Wechsel erworben hast, dem Berge und Flächen unterworfen sind, und wie die Höhen, sowohl wegen ihrer rauhern Luft als ihrem so weniger guten Boden nicht zu der Fruchtbarkeit als glücklich gelegne Thäler gelangen können.

Von Menschen habe ich manche kennen lernen, deren Umgang ich auch dir wünschte, und von übrigen angenehmen Zuständen als künstlichen Gärten, Theatern u.s.w. habe ich manches gesehen, wobey du eben wie bey dem Frankfurter Theater dich verwundern würdest, weil du schon eben was bessers wenn gleich nicht so etwas großes und weitläufiges kennst.

[297] Mein einziger Wunsch bleibt immer, daß ich mit dir und dem Kinde, wenn seine Natur ein bischen mehr befestigt ist, und mit Meyern noch einmal eine schöne Reise thun möchte, damit wir uns zusammen auch auf diese Weise des Lebens erfreuen.

Hier bin ich bey Herrn Cotta sehr gut aufgehoben, die Stadt selbst ist abscheulich, allein man darf nur wenige Schritte thun um die schönste Gegend zu sehen. Die Stadt liegt auf einem Bergrücken, zwischen zwey Thälern, und hat um sich herum viel Fruchtbarkeit, wenn diese auch gleich dem untern Lande nachsteht.


Den 12. Sept. 97.

Ich höre durch Herrn Geheimde Rath Voigt daß du in den letzten Tagen des August eine doppelte Sorge und Angst gehabt hast, indem der Kleine krank war und das Feuer die Scheunen vor'm Erfurter Thor verzehrte. Ich kann mir vorstellen wie sehr du in beyden Fällen gelitten hast, und weiß daß du mich in diesen Augenblicken hundertmal zu dir gewünscht hast. Ich höre zu meiner Beruhigung daß der Kleine wieder auf gutem Wege ist, grüße ihn herzlich und halte ihn auf's beste. Herr Eisert mag auch in Absicht auf's Lernen mit ihm nur spielen und die Zeit hinzubringen suchen, damit er bald wieder zu Kräften komme.

Ich sehe der Zeit mit Sehnsucht entgegen, da ich[298] euch wieder antreffe und durch meine Gegenwart vollkommen beruhigen werde.

Lebe recht wohl und schicke deine Briefe an mich mit nachstehender Addresse ohne weitern Einschlag nur unmittelbar ab


Herrn Geheimde Rath von Goethe

bey Herrn Buchhändler Cotta

in

frank.

Tübingen.


Nun muß ich dir zum Schluß auch noch mit eigener Hand sagen: wie sehr ich dich liebe, und wie sehr ich wünsche bald wieder an deiner Seite zu seyn. Behalte mich lieb, wie ich dich, damit wir uns herzlich mit Freuden wieder umarmen können. Küsse den Kleinen tausendmal.

G.

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