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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

In Gefolg meines letzten eiligen fahre sogleich fort nur noch auszusprechen daß Herrn Rauchs Gegenwart mich in allem Guten nochmals gegründet, gekräftigt und gefördert hat.

Über das Musterstück Ihres Gemälde-Verzeichnisses bin ganz erstaunt; denn ich weiß recht gut was es heißen will, wenn sie solche Namen aussprechen. Es ist wirklich ein ganz unerwarteter und unwahrscheinlicher Glücksfall, dessen Bedingungen mir nicht denkbar sind.

[177] Wenn Meyers Kunstgeschichte uns in ihrem ganzen Umfange frommt, so haben wir ein Großes gewonnen, nicht einem jedem, besonders nicht den Künstlern wird es so sein. Der lebende Künstler neuerer Zeit steht, mit allem Talent, in einer mißlichen Lage, er ist nicht im Fall sich an ein entschieden Sicheres anzulehnen, und seine besten Bestrebungen stocken, entweder an denen so unzulänglichen als heftigen Forderungen der Mitwelt, oder an den unaufgeklärten Velleitäten seines eigenen, nicht hinlänglich ausgebildeten trefflichen Innern. Alles eigentlich Gute, das zum Vorschein kommt, war nur im Fluge erhascht, aus dem Stegreife gefesselt und so steht's doch immer als eine nicht ganz behagliche Erscheinung.

Hieran liegt es daß so viele Jüngere sich in die Frömmeley flüchten und an ältere unvollkommene Muster; das Letzte läßt sie getrost sagen: wir sind ja Strebende, das Gute, das Vortreffliche Suchende, und das Erste gibt ihnen den Vortheil, statt an eine Schule, sich an einePartei anzuschließen. Wie ekelhaft dieß aber sey, muß ich fast täglich empfinden; nur mit einer gewissen Härte lehnt man die pfuscherhaften Anmaßungen ab, die, bey dem gewissenlosesten Verfahren, ein Heiliges zu Hülfe rufen und, unter dem Mantel der Absurdesten Gleißnerey, sich für geborgen, so wie ausgestattet halten; auch fürchtet sich das Gezücht vor mir, und probirt doch manchmal ein vidi zu erhaschen.

[178] Doch sollte ich mich hierüber nicht ereifern, da mir Stiedenroth auch hierüber die hinreichenden Lichter aufgesteckt hat.

Ich bin eben daran Marginalien zu seinem fließend-zusammenhängenden Vortrag zu schreiben. Sagen Sie mir ja das Nähere von diesem vorzüglichen Manne.

Mit Rauch bin ich zu keinem allgemeinen Kunstgespräch gekommen; unter der Arbeit, bey Beschauung einzelner Werke, wie ich sie ihm vorlegen konnte, ließ sich wohl mit ihm übereinkommen, sein Aufnehmen wie sein Ablehnen war einer verständigen Individualität, auch deren Leben- und Kunstgang völlig gemäß und so mir wahrhaft erfreulich.

Über das, was man Maximen heißt, habe ich mich dergestalt abgewöhnt zu sprechen daß sie mir sogar bey vertraulicher Unterhaltung unter vier Augen nicht mehr einfallen, in größeren Gesellschaften gar nicht. Die Mädchen schmücken sich mit Rosen und Kornblumen, den Kindern schmecken die Pfirschen fürtrefflich, das gewahr ich alle Tage, und sie haben weder von perianthium noch pericarpium einen Begriff, und doch sind diese ja selbst nur äußere, einen höhern Sinn verhüllende Erscheinungen.

Verzeihen Sie daß ich mit meiner Rede hin- und herschweife, Sie werden die Mittellinie schon finden.

Die Skizze der Frau v. Arnim ist das wunderlichste Ding von der Welt; man kann ihr eine Art [179] Beyfall nicht versagen, ein gewisses Lächeln nicht unterlassen, und wenn man das kleine nette Schoßkind des alten impassiblen Götzen aus seinem Naturzustande mit einigen Läppchen in den schicklichen befördern wollte, und die starre trockne Figur vielleicht mit einiger Anmuth des zierlichen Geschöpfs sich erfreuen ließe, so könnte der Einfall zu einem kleinen Hübschen Modell recht neckischen Anlaß geben. Doch mag es bleiben wie es ist, auch so gibt es zu denken.

Das naturhistorische Heft mußte ruhen, ich lasse jetzt wieder daran drucken; einiges Fremde hab ich aufgenommen, einiges Frühere von mir zugleich redigirt; doch ist hier eine gar zu wichtige Beschäftigung an die man sich desultorisch nicht wagen sollte; besonders da treffliche Menschen in der neuern Zeit so folgerecht darin verfahren. Gewonnen hab ich in diesem Fache, das darf ich mir wohl sagen, aber es wird mehr für mich allein bleiben; am Tagesbetrieb ist sehr viel zu billigen, aber auch zu mißbilligen und wie soll man da eingreifen.

Zu dem beygelegten Blatte, welches mit Schubarth zu überlegen bitte, darf nicht hinzufügen was mir den Vorschlag annehmlich macht, seine innige Bekanntschaft mit meinen Arbeiten gäbe ihm dabey die leichteste Übersicht, sein bleibendes Interesse daran würde durchaus fördern und keine Ermüdung befürchten lassen. Auch Sie, mein Theuerster, würden in dem friedlichen Zustand, den Sie mir schildern, an diesem [180] Geschäft eine neue Unterhaltung, und die Sammlung früherer Ausgaben die wenigstens begonnen war, würde hier schon eine zweckmäßige Anwendung finden.

Eckermann hat den Winter über sich in Redaction, Zurechtstellung gar manches Acten-Stückes thätig erwiesen und mein täglich sich vervollständigendes Archiv ist sogar in Ein Local gebracht, wo es übersehbar und schon catalogirt für eine gute Weile verharren kann.

Ich selbst fahre an einer sogenannten Chronik meines Lebens fort, wo ich die laconische Abfassung, die schon durchaus vollständig ist, nun zu erweitern und aufzuklären hoffe. Dabey tritt der wichtige Umstand ein, daß die Schillerische Familie mir meine Briefe an diesen hohen Freund bis auf das letzte Billetchen übergeben hat, die ich nun mit seinen, gleichfalls heilig aufgehobenen Briefen und Blättern in einander arbeite und dem gewiß allgemeinen Wunsch, von einem solchen Verhalten Kenntniß zu nehmen, entgegenarbeite. Alle Freunde die Schillers Briefe von 1802, jetzt in Kunst und Alterthum abgedruckt, gesehen, haben sogleich gewünscht, meine Erwidrungen dagegen zu lesen. Diese sind freylich zur Aufklärung und Belebung höchst nothwendig, aber im innern und selbstständigen Werth kommen sie den Schillerischen nicht bey; er war geneigter zum reflectiren über Personen und Schriften als ich, und seine höchst freyen brieflichen Äußerungen sind als unbedingter augenblicklicher [181] Erguß ganz unschätzbar. Unser beiderseitiges munteres Leben und redliches Streben stimmt zu freudiger Heiterkeit, die freylich leider auch, durch Leiden und Quengeleyen des Tags, dem Beschauer oft verkümmert wird; doch dadurch wird es ja ein wahres Bild des beschatteten buntgrauen Erdenlebens. Die Correspondenz geht ununterbrochen von 1794 bis 1805. Die ersten Jahre höchst reich und prägnant, weil wir uns erst begreifen mußten und, an verschiedenen Orten lebend, briefliche Unterhaltung ernstlich zu pflegen genöthigt wurden. Späterhin hatte sich die Gesinnung schon ausgeglichen, wir wohnten an Einem Orte und so ist wenig Schriftliches übrig geblieben.

Aus jenen Jahrzahlen sehen Sie daß sich diese Documente unmittelbar an die Campagnen anschließen, und also ohne weiteres den Freunden, die an meiner Vergangenheit Theil nehmen, eine willkommene ausführliche Gabe versprechen.

So eben vernehme daß Herr Graf Sternberg in diesen Stunden ankommen wird, von diesem trefflichen Manne erwarte mir sehr viel Belehrung besonders über Steinkohlen-Formation und die damit verknüpften Vegetationsreste; nicht weniger über Steinsalz und Sole. Nächstens manches Zurückgebliebene.

und so fürder
Weimar den 3. Juli 1824.
G.
[182]
[Beilage.]
Gefällig zu gedenken.

Die Vorbereitungen zu einer neuen Ausgabe meiner Werke gehen ununterbrochen fort, wobey mir mehr um die Sicherung meines literarischen und biographischen Nachlasses für künftige Zeiten und um die Brauchbarkeit desselben, auch ohne mein Zuthun, besorgt bin, als um ein eiliges Hervortreten. Schon sind zerstreute Papiere gesammelt, Entwürfe redigirt und gestaltet, daher denn alles was als Manuskript oder außer Verbindung dalag nunmehr schon brauchbar und einzuordnen ist. Manches jedoch bleibt zu thun übrig.

Woran ich jetzt aber vor allem zu denken habe ist die Revision der schon gedruckten Werke, sowohl der zwanzig Bände, als der später herausgegebenen. Es wäre darum zu thun diese Bände mit grammatischem Aug durchzugehen, mit kritischem Scharfsinn zu prüfen, ob vielleicht irgend ein Druckfehler verborgen liege, dann wäre ein Conjectur zu notiren, und so das Ganze rein in sich herzustellen, wie es bleiben soll, ohne daß man sich bemühte manches besser auszudrucken, wenn es auch leicht geschehen könnte.

Eben so wäre die Interpunction mit Milde zu behandeln und allenfalls nur die überflüssigen Unterscheidungszeichen, die zu jenen Zeiten im Schwang waren, auszulöschen.

[183] So wohl hier als in Jena finden sich wohl Personen denen ich dergleichen Geschäft allenfalls anvertrauen könnte, vor allen aber würde ich erst anfangen: ob unser Schubarth sich dazu entschlösse, was mich alles auf seine Seite neigt wird er selbst und seine nächsten Gönner ohne meine weitere Ausführung sich gar bald entwickeln.

Die Anfrage inwiefern er als Mitarbeiter an der neuen Ausgabe erscheinen und nicht nur in dem ersten Gemeldeten, sondern auch in manchen andern thätig und beyrathend seyn möchte sey also vorläufig gethan; wobey ein billiges Honorar sich von selbst versteht.

Im Bejahungs-Fall wäre das Nähere zu bereden. Ich sendete nach und nach, wie das Geschäft vorwärts ruckt, die Bände der letzten Ausgabe und erhielt dagegen jedesmal die nachfolgenden, wie sie zum Abdruck nöthig sind; eine andere Ordnung würde eingeführt, worüber denn auch zu consultiren wäre.

Was mir an diesem Vortrag als das Reizendste erscheint ist die Eröffnung eines neuen thätigen Bezuges zu Schubarth und ein fortwirkendes Verhältniß zu ihnen und so eine wahrhafte Belebung an einer fruchtbaren würdigen Communication. Dieses Gegenwärtige, ob es gleich ausführlicher und besser könnte gestellt seyn, halte nicht zurück, weil ich mich immer mehr überzeuge, fürderhin sey nicht mehr zu zaudern. Weimar den 28. Juni 1824.

Vertrauend und hoffend G. [184]

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