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An Christiane von Goethe
Sehr lange habe ich nichts von Euch gehört, möge das ein Zeichen seyn dass ihr euch wohl befindet. [37] Mir ist es die letzte Zeit gar gut ergangen, woran das schöne Wetter nicht wenigen Antheil hat.
Montag d. 12. Sept. Fuhr ich mit ObBergR. Cramer von Wiesbaden ab, über den Weilbacher Schwefelbrunnen, den ich Euch nach Bercka gewünscht hätte. Er liegt einsam, unter hohen Pappeln, mitten im Kornfelde und strömt aus vier Röhren unendliches Wasser. Dies wird weit und breit verführt. Keine Badeanstalt ist nicht dabey. Bey Schlossers war ich freundlich empfangen und schön logirt. Ein Brief von Herrn von Müller machte mir viel Vergnügen.
Dienstags d. 13ten Ging ich ganz früh durch das Messgewühl, wo man lauter frohe Gesichter sah. Seit dreysig Jahren war keine solche Messe gewesen. Ein Kaufmann mußte Wache vor seinen Laden stellen. Die Sachsen und Voigtländer sind alles gleich los geworden. Bestellungen wurden auf halbe Jahre gegeben. Fr. Melbert, Brentanos, Gerning wurden besucht, die schönen Umgebungen der Stadt beschaut. Abends bey Schlossers.
Mittwoch d. 14ten. Durch die Messe zu Riese, Mad. Stock, Vohs pp. Im Braunfels, wo die vielen unübersehlichen Waaren den schönsten Anblick geben. Mittag bey Melberts. Der Docktor Melbert ist ein wackrer thätiger Mann, der sich in eine gute Lage versetzt hat und seiner Mutter alles Liebe erzeigt. Sie fühlt sich sehr glücklich, ist im 81ten Jahre munter und thätig. Mineraliensammlungen. Schauspiel. [38] Nicht schlecht, aber freudelos. Wilde Thiere, Bereuter; alles hinter einander bis tief in die Nacht.
Donnerstag d. 15ten. Visiten, bey Bethmann, Nicolaus Schmidt, Stedel. Mittag bey Brentano (Franz). Nach Tische herrliche Fahrt um die Stadt, auf den Mühlberg, zu Willemer auf die Mühle. Er war sehr freundlich, der Sonnenuntergang unendlich schön. Wilhelm Tell, nicht ergötzlich.
Freytag d. 16ten. Bey dem Landschaftsmahler Schütz. Dessen schöne Zeichnungen der Rheingegenden. Altdeutsche Bilder, Zu Prinz Bernhard, Fürst Reus, andre Visiten. Bey Mad. Stock zu Mittag. Riese war von der Gesellschaft. Titus. Löbliche Vorstellung. Bey Brentanos.
Sonnabend d. 17ten. Bey dem Kunsthändler Silberberg. Treffliche Sachen, aber sehr theuer. Mit Schütz in das Museum. Ein köstlicher Martin Schön daselbst und andres Gute. Eine aus Surinam zurückgekommene alte Bekannte. Fr. Gen. v. Panheus geb. v. Barckhaus. Bey Herrn v. Hügel zu Tische. Boisserée war angekommen, Abends Windischmann, mit beyden bey Schlosser zu Nacht.
Sonntag d. 18ten. Geschenck des Stammbuchs aller Stammbücher. Ein Baron Burkana, aus Aleppo in Syrien, reist die Kreuz und quer durch Europa und nöthigt alle die ihm aufstoßen ihm etwas zu schreiben. Die Zeit seiner Wanderschaft dauert von 1748 bis 1776, wo er in Wien 70 Jahr alt starb. [39] In zwey dicke Octavbände hat man die hinterlassnen Blätter zusammen gebunden, die ich mitbringe. Unter manchen unberühmten Nahmen stehen die Berühmtesten: Voltaire und Montesquieu an der Spitze. Übrigens ist auch diese Sammlung wegen der Handschriften verschiedner Nationen und Regionen merckwürdig. Es ist eine große Acquisition. Sah ich die Gemälde Sammlung des Herren Dr. Grambs, besuchte einige Freunde in den Gärten, fuhr sodann mit Mad. Brentano und Stedel zu Willemer. Der Tag war höchst schön, der Wirth munter, Mariane wohl (das letztemal hatten wir sie nicht gesehen). Diesmal sahen wir die Sonne, auf einem Thürmchen, das Willemer auf dem Mühlberg gebaut hat, untergehn. Die Aussicht ist ganz köstlich.
Soviel für diesmal, die Fortsetzung folgt.
Frfurt d. 21. Sept. 1814.
G.