22/6207.

An Carl Friedrich von Reinhard

Ich habe gezaudert, verehrter Freund, Ihnen auf den lieben und interessanten Brief den ich durch Herrn von Spiegel erhielt, zu antworten, weil ich das beykommende Büchlein zugleich überschicken und Ihrer freundlichen Theilnahme empfehlen wollte.

Was Herrn Le Febre betrifft, so hat sich derselbe in seiner Relation wahrhaft diplomatisch bewiesen. Ich bin Ihnen für die Bemühung sehr dankbar, welche Sie beym Abschreiben einer langen Stelle seines Briefs übernehmen wollen. Es war mir sehr angenehm zu sehen, daß er den Sinn, den Inhalt und die Ausdrücke unsres Gesprächs so gut aufgefaßt; und es geschieht wohl selten, daß unsere Absichten von einem Fremden, mit dem wir uns zum erstenmal unterhalten, so gut aufgenommen werden. Bis auf ein einziges Wort (statt judicieux lies circonspect) kann ich die ganze Relation, insofern sie das was ich gesagt und gewollt betrifft, unterschreiben. Dasjenige was er günstig [185] von mir urtheilt, erkenne ich mit dankbarer Bescheidenheit. Doch bin ich überzeugt, daß er weder so viel Theil an mir genommen, noch so vortheilhaft von mir geurtheilt hätte, wenn er nicht lange an Ihrer Seite gelebt und durch Ihre freundschaftlichen Gesinnungen zu einem günstigen Vorurtheil für mich geleitet worden.

Das Französische soll nach Ihrer Aufmunterung lebhafter betrieben werden. Meine Jugendgeschichte zeugt freylich gegen mich, und ich gestehe gern, daß ich es in dieser Sprache hätte weiter bringen sollen.

Mehr nicht für dießmal, damit das Bändchen nicht liegen bleibe. Sie werden in demselben gar manche unmittelbar an Sie gerichtete Stelle finden. Leben Sie recht wohl und gedenken meiner, so bey dieser wie bey andern Gelegenheiten.

Weimar den 26. October 1811.

Goethe.

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