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An Johann Heinrich Meyer
Nach einer 14tägigen Reise nach Leipzig und Dessau, auf welcher ich Durchl. den Herzog begleitete,[16] muß ich Ihnen sogleich einiges schreiben und melden, da ich ohnedieß schon eine Zeit lang gefeyert habe. – Der leidige Krieg scheint sich noch nicht endigen zu wollen und in der Lombardie geht es wilder und confuser zu als jemals. Ich habe daher den Gedanken gehabt: ob ich nicht über Wien und Triest suchen sollte, direct nach Ancona oder vielleicht gar nach Neapel zu kommen. – Hiezu findet sich eine schöne Gelegenheit, indem der Graf Fries auf Ostern von Leipzig abgeht, das ein sehr artiger junger Mann ist, und mit dessen Hofmeister ich, als einem Jugendfreunde, in Verbindung stehe. In Wien könnte ich mich mit dem besten Empfehlungsschreiben durch das ganze Italien ausrüsten lassen und alsdann meinen Weg weiter verfolgen. Dieses würde mit Ihrem Plan, gegen Fastnacht südlicher zurück zu gehen, übereinstimmen und es wäre vergnüglich genug, wenn wir uns am Molo von Neapel erst wiedersähen. Wenn ich denke daß man auf dieser Seite mit schneller extra Post den Weg bis an's Meer zurücklegen kann, ohne das Kriegstheater zu berühren, und mir von der andern Seite den Schneckengang durch die Schweiz über Turin und Genua denke, beynah ganz durch zerrüttete Länder, so kommt mir der erste Weg äußerst vorzüglich vor, und die Differenz der Entfernung verschwindet. Ich werde gleich die Negotiation mit den Freunden eingehen und sodann das weitere melden. –
In Dessau habe ich ein schönes Bild der Angelika[17] gesehen, Amor und Psyche, ich glaube Sie schrieben mir einmal davon. Auch hat mich in Leipzig ein kleines italienisches Bild, das man dem Dominikin zuschreibt, sehr interessirt. Es stellt Hagar mit dem Kinde und dem Engel vor, ist sehr schön empfunden, erfunden, gedacht, colorirt und gemahlt. Es sind Stellen drinne die an Guido, Guercin, und Dominikin erinnern, es fehlt ihm aber, besonders in der Composition, die letzte Reise, die man um so mehr vermißt als der Künstler sich ganz nah hinanzuarbeiten gewußt hat. Die Stellung der Figuren, die Richtung der Glieder, die Austheilung der Extremitäten, sind schon sehr obligat, und das Auge leitet Forderungen daraus her, die doch nicht ganz befriedigt werden; daher bleibt das Bild für den Kenner und Ankenner einigermaßen problematisch und läßt bey allem Genuß noch einen Wunsch übrig. Ich hoffe eine Durchzeichnung auf Wachspapier zu erhalten und sie Ihnen dereinst vorzulegen, vielleicht entschließen Sie sich in einer Zeichnung, die Composition völlig zurecht zu rücken, und den setzt einigermaßen unangenehmen Bruch vollzählig zu machen. Mehrere gute niederländische Bilder habe ich auch in Leipzig gesehen. In Dessau hat man ein Kupferstecher Institut unternommen, wovon die Folge erst zeigen muß ob es bestehen kann. Man hat verschiedene Künstler hingezogen, die in schwarzer Kunst, Aquatinta und punctirter Manier nach Zeichnungen und Copien [18] arbeiten, welche man von weiten und nahen her anschafft. Unter den Künstlern sind einige recht geschickte Leute und in der Wahl der Gegenstände fängt man auch an sorgfältig zu werden, von Nahl und Seidelmann, von Biermann und andern sind schöne Zeichnungen vorräthig, und aus der Art wie man nach Ihnen gefragt hat, vermuthe ich daß man Absicht hat auch Sie in das Interesse zu ziehen. Alles kommt auf den Absatz an, bey welchem Freund Bertuch seine Künste zeigen wird. Die Nahmen der Künstler und die Constitution des Ganzen schreibe ich Ihnen nächstens, denn es mag sich heben und erhalten, oder sinken und zu Grunde gehen, so ist es immer für den Künstler ein merkwürdiges Phänomen, und er kann hoffen, wenn es reussirt sich mit ernsthaften Arbeiten daran anzuschließen. Pickler, ein junger Mann von Wien, behandelt die schwarze Kunst mit viel Naturell und Glück, auch sind einige Landschaften in Aquatinta vorzüglich gut gerathen, weil sie Zeichnungen, und nicht, wie Prestel oft, Gemählde vor sich haben. – Durch die französische Emigration sind auch italienische Bilder und Werke der solidern französischen Schule über Hamburg nach Sachsen gekommen. Das Winklerische Cabinet liegt, wie das Praunische, begraben, die Theilnehmer wünschen es zu verkaufen, sind aber so reich, daß sie auf ihren Schatz noch lange halten werden, sie lassen es indessen niemand sehen, weil sie es im Ganzen verkaufen wollen [19] und zu den vielen Neugierigen wenig Vertrauen haben. Übrigens geht die Liebhaberey im Ganzen ihren alten Gang, Vorurtheil und Vorliebe greifen nach irgend einem Schein, die historische Kenntniß macht gegen den Werth des Kunstwerks gleichgültig, und ohne sie tappt der Liebhaber doch nur herum, was man besitzt hält man für's beste, die Großen hören auf, sich zuzueignen was einen Kunstwerth hat, und Privatleute sammeln schon mit dem Bewußtseyn von ihren Erben alles wieder zerstreut zu sehen. So ist es beschaffen und so wird es eine Weile bleiben. – Herr Leo in Leipzig scheint, wie mehrere Herausgeber von Zeitschriften, seine Bogen ohne große Kosten füllen zu wollen. Ich habe ihm für Ihre 4 ersten Zeichnungen 8 Louisd'or gefordert, worauf er sie, zwar auf die höflichste Art, aber doch zurückgeschickt hat. Ihre zweyte Sendung, die mir auch ganz besondere Freude macht, ist indessen angelangt. Wenn Sie für diese Blätter überhaupt mit einem geringern Preise zufrieden seyn können, so nehme ich sie lieber zu dem Schloßbau und verwahre sie als einen geheimen Schatz, denn ich sehe doch voraus, daß wir, nach unserer eingeführten Handelsweise, gelegentlich in die größte Verlegenheit kommen müssen und sich unser Schloß, durch Zufall, mit kostbaren Meublen, ohne Übereinstimmung, füllen wird. Wenigstens hat man alsdann etwas in der Hand, was man geringern Dingen entgegenhalten und, wo nicht seine Freude an [20] der Ausführung, doch sein Gewissen beym Rathgeben retten kann. – Die Kiste an den Herzog von Gotha mit jenem bewußten Manuscript ist angekommen, sie enthielt nichts an mich. Schreiben Sie mir doch was Sie nun alles von erworbenen Schätzen bey sich verwahren und herumführen. – Was Sie über die leichten Gewölbe schreiben, ist wirklich so wunderbar, daß man dergleichen Arbeiten sehen müßte um sie sich denken zu können. Ich werde mit unserm Baumeister davon sprechen, so viel weiß ich daß er sich schon bey seinen Gewölben auf die packende Kraft des Gipfes, den er unter den Kalk mischt, sehr verläßt. Die Ziegelstücken werden angefeuchtet, weil nach seiner Meynung der Gips sonst zu schnell binden würde, es wäre also vielleicht die Frage den Versuch mit bloßem Gips und trocknen Ziegeln zu machen. Erkundigen Sie sich doch ob gar kein Kalk unter die Mischung kommt.
Weimar den 19. Jan. 97.
G.
Weimar den 19. Jan. 97.
So eben erhalte ich Ihren lieben Brief Nr. 14 und leider ist von mir keiner indessen unterweges, die kleine Reise hat mich sehr zerstreut und meine Arbeiten unterbrochen, indessen sie mich doch von einer andern Seite sehr gefördert hat. Auf der Rückseite dieses Blättchens also noch einige Worte.
Aus beyliegendem Brief an Angelica den Sie [21] vielleicht nur mit ein paar Worten begleiten und dann weiter nach Rom schicken, werden Sie eine Frage über die zu wählende Firnisart finden, worüber ich mir auch Ihre Gedanken ausbitte.
Daß das Stückchen Musenalmanach abermals Ihren Beyfall hat, freut mich außerordentlich, aber nach dem was Sie äußern wird Sie vielleicht nicht wenig wundern wenn ich Ihnen sage, daß die Bogen welche Sie besitzen noch die gelindesten des Büchleins sind. Da wir voraussahen daß wir schon durch diese Äußerungen uns Feinde und Widersacher genug zuziehen würden so hielten wir für das beste gleich auf einmal dem Fasse den Boden auszustoßen und in ungefähr 450 Distichen den Baven und Mäven, den Phantasten und Heuchlern, theils namentlich theils mit leichter und schwererer Deutung zu Leibe zu gehen, worüber ein fürchterlicher Lärm entstanden ist, wovon Sie seiner Zeit mehr vernehmen sollen, wenn ich Ihnen nur erst selbst das Corpus delicti in die Hand gebracht habe.