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An Carl Friedrich Zelter

Jena den 6. Junius 1820.

Also will ich vor allen Dingen melden, daß deine Briefe sämmtlich, früher oder später, zu mir gelangt sind:

Vom 19. April,

Vom 13. May,

Pfingsttag,

Evangelium am Pfingstmontag,

Vom 2. Juni, mit dem lieben Nepomukchen.

[53]

Woran ich mich denn durchaus höchlich erbaut habe und mich zu dem allerschönsten Dank hiedurch bekenne. Einzelne Betrachtungen, wozu mich deine Worte verleiteten, wurden sogleich aufgeschrieben und ich werde sie dir nach und nach aus meinen Papieren ausziehen. Gegen alles so vielfache Gute hab ich freylich nur zu erwidern: daß ich, in meiner Einzelnheit mannichfaltige Existenzen berührend, in fremde Zustände eindringend, gar viel Gutes und Nützliches erfahren habe. Auch hat sich in vielen einsamen Stunden eine solche Schreib- und Dictirseligkeit bey mir entwickelt, daß mehr Papier in diesen sechs Wochen ist verschrieben worden als sonst jemals, welches viel heißen will; wobey manches Erfreuliche aus den lethäischen Untiefen herausgefischt wurde, wovon dir dein gebührendes Theil nicht vorenthalten werden soll.

Vier Gedichte zum Divan, und zwar zum Buch des Paradieses, haben mich selbst überrascht, deshalb ich nicht zu sagen wüßte, wie sie gerathen sind.

Nun will ich also in umgekehrter Ordnung auf deine Briefe einiges erwidern. Eigentlich bin ich so früh in's Bad gegangen, um die Monate Juny und July, auch den halben August, in diesen Gegenden zuzubringen. Dein Besuch sollte mir höchst erfreulich seyn, nur bitte um Meldung und Verabredung, weil ich die ganze Zeit über von mancherley Äußerlichkeiten abhänge. Deine Gegenwart wird mir die [54] erfreulichste Ermunterung werden. Soll ich aber nun nach Berlin denken, so macht mir's eine traurige Empfindung, daß ich des Guten, was mir dort zu Theil werden sollte, mich nicht erfreuen darf.

Ich habe auf der letzten Reise zwar mancherley gewagt und unternommen und es ist mir alles geglückt, aber genau besehen blos deswegen, weil nicht allein jeder Tag und Stunde, sondern auch jeder Augenblick von mir abhing; ich konnte bis an's Ende meiner Kräfte gehen und zuletzt, ohne Rücksicht, rechts, links wenden oder auch umkehren. Wie ist dieß in einem so großen complicirten Zustande denkbar? Wenn du kommst, wollen wir das Weitere behandeln.

Was soll ich aber nun zu eurer Faustischen Darstellung sagen? Die treue Relation, die ich dir verdanke, versetzt mich ganz klar in die wunderlichste Region. Die Poesie ist doch wirklich eine Klapperschlange, in deren Rachen man sich mit widerwilligem Willen stürzt. Wenn ihr freylich wie bisher zusammenhaltet, so muß es das seltsamste Werk seyn, werden und bleiben, was die Welt gesehen hat.

Für den singbar zurückkehrenden Heiligen danke zum allerschönsten; der heilige Geist wird sich zu seiner Zeit schon selbst auszubilden wissen, und so will ich nach und nach das Weitere vermelden, und für unser Zusammentreffen soll doch noch manches übrig bleiben, was von Angesicht zu Angesicht am besten sich ausnimmt.

[55] Zu Ausfüllung des Platzes erzähle folgendes: Vor etwa einem Jahr erzähl ich meiner Schwiegertochter, da wir gerade allein sitzen, ein Geschichtchen, dergleichen du manche kennst und wie ich noch verschiedene im Sinne habe. Sie verlangt es zu lesen, ich muß ihr aber sagen, daß es nur in meiner Einbildungskraft waltet. Die Zeit her hab ich kaum daran gedacht. Jetzt komm ich nach Schleiz, etwas früh, und habe lange Weile, ziehe gerade ein Buch Schreibpapier und einen leicht schreibenden Wiener Schwarzkreide-Stift aus meinem Portefeuille, fange an die Geschichte zu schreiben. Jetzt da ich sie abdictire, wo ich wenig zu verändern weiß, find ich sie ziemlich in der Hälfte, das Weitere wird sich wohl geben.

Jena den 7. Juni 1820.

G.

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