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An Carl Friedrich von Reinhard
Daß Sie, theuerster Verehrter, meinen kleinen Aufsatz billigten, ist mir höchst erwünscht, denn er war in unruhiger Zeit und nicht sonderlich vorbereitet geschrieben; der gute Wille mag dabey das Beste gethan haben.
Den Abdruck lege bey, nicht weniger eine französischen Übersetzung, verfaßt von dem Redacteur, welcher mir vielen Dank wußte, daß ich ihm von jener mißwollenden Anzeige loshalf.
Man hat nur immer zu thun, um die Verwirrungen, die mehr durch vorlaute als bösartige Menschen eingeleitet werden, wieder in's Gleiche zu bringen.
Kunst und Alterthum folgt bald; möge darin sich etwas Ihrem und der liebwerthen Tochter Sinn und Geschmack Wohlgemäßes befinden.
[75] Die naturwissenschaftlichen Hefte werd ich kaum vor meiner Abreise vollendet sehen, ein thypographisches Zaudern hält sie dießmal länger als billig zurück.
Denn ich denke zu Ende des Monats nach Marienbad zu gehen, um mich wieder in dem Winkel einer ansehlichen Gebirgshöhe zu prüfen und an bekannten Naturgegenständen meine Sinne herzustellen; es ist wirklich Zeit, daß ich von der Außenwelt wieder angeregt werde.
Daß die Heilquellen unsere Hoffnungen und Zutrauen wenigstens bis auf einen gewissen Grad erhalten, ist sehr schön; unsere Natur ricochettirt gleichsam alle Jahr einmal an solchem Orte, und reicht der Sprung auch nicht ganz aus, so ist doch wenigstens etwas gewonnen. In Baden wünscht ich auch wohl an Ihrer Seite zu wallfahrten, die Gegend muß sehr schön und auch geologisch höchst merkwürdig seyn, wie aus einer Charte von Gimbernat ersehen habe. Von persönlichen Abenteuern wußte Kanzler v. Müller viel zu erzählen. Möge uns beiden die abermalige Wallfahrt Glück bringen und eine höchst wünschenswerthe Zusammenkunft einleiten. In der Hälfte Septembers glaub ich wieder zu Hause zu seyn, wo Sie Großen und Kleinen durch Ihre theure Gegenwart die höchste Freude bringen werden. Vor meiner Abreise noch ein Lebenszeichen.
treulichst
J. W. v. Goethe. [76]