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An die Centraldirection der Gesellschaftfür ältere deutsche Geschichtskunde
Als im Sommer 1815 des Herrn Staatsminister von Stein Excellenz in Nassau aufzuwarten und mit einem so würdigen Freunde und Gönner eine kurze Rheinreise zu vollbringen das Glück genoß, machte mich derselbe mit einem Plane bekannt, wonach zu Bearbeitung älterer deutscher Geschichtskunde eine Gesellschaft wohl zusammentreten würde; auch erhielt ich nachher einen umständlichen Aufsatz hierüber, den ich mit älteren und jüngeren Freunden mündlich und schriftlich behandelte und, da ich mir in diesem Fache weder hinreichende Kenntniß noch Beurtheilung zutrauen darf, ihre Meinung vernahm, ihre Gesinnung erforschte.
Hier traten nun sogleich jene Schwierigkeiten bedenklich hervor, die man gegenwärtig schon überwunden mit Vergnügen an der Seite sieht. Wie vieles ist nicht schon geschehen! Doppelt viel, weil in dem Gegebenen das Geforderte schon enthalten ist.
[45] Geschichts- und weltkundige Männer verbinden sich, die Gesellschaft zu gründen, Statuen sind angeordnet und bis auf weiteres genau bestimmt, eine Gesammtausgabe der besten Quellenschriftsteller methodisch angedeutet, Zeithefte versprochen und alles zusammen durch eine Denkschrift in größter Klarheit der höchsten Behörde empfohlen, so daß Zweck und Mittel sich schon gegenwärtig berühren.
Welcher Deutsche sollte sich nicht schon im Allgemeinen über ein so glücklich gefördertes Unternehmen aufrichtig erfreuen, und wie sehr muß ich mich gerührt fühlen, wenn ich an einem mir höchst bedeutenden Tage durch die Erinnerung zum Mitgliede mich wahrhaft geehrt sehe.
Waren meine dichterischen und sonstigen Arbeiten zwar immer dem nächsten und gegenwärtigsten Leben gewidmet, so hätten sie doch nicht gedeihen können ohne ernsten Hinblick auf die Vorzeit.
In diesem Betracht darf ich wohl mich der erwiesenen Gunst bescheiden-dankbar erfreuen und die Hoffnung nähren, zu jenen herrlichen väterländischen Zwecken einigermaßen mitzuwirken.
Wie ich denn gegenwärtig mit Herrn Professor Grotefend wegen der Heilsberger Inschrift in Briefwechsel stehe, um demselben einige Auskunft zu geben, die wohl nöthig ist, um über dieses räthselhafte Document endlich in's Klare zu kommen. Noch einiges andere, sich auf jene Zeiten beziehend, dürfte, durch [46] einen so kräftigen Anlaß in's Leben gerufen, nicht ganz unwillkommen seyn.
Der ich mit wiederholter dankbarer Anerkennung der mir zugewandten ehrenvollen Auszeichnung für ein Glück schätze mich unterschreiben zu können
verehrend
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
J. W. v. Goethe.