17/4924.

An Carl Friedrich Zelter

Ihr Aufsatz, verehrter Freund, hat mir und einigen Eingeweihten, denen ich solche communicirt, viel Vergnügen gemacht, ja er hat uns erbaut und wir sind in unserer Überzeugung vom Guten und Rechten gestärkt worden. Er ist ganz aus dem Grunde des Charakters und Talents hervorgegangen und muß auf einigermaßen empfängliche Gemüther die lebhafteste Wirkung hervorbringen. Was wird aber die Welt daran finden und daraus machen? die nicht gern hören mag, wenn man die Klagepuncte gegen sie articulirt, und die freylich nicht daran denken kann einen würdigen Genuß zu schaffen, den sie nicht kennt, sondern vielmehr nach einem flüchtigen hascht, der sich aus ihr selbst gebildet hat und ihr also gemäß ist.

Sehr schlimm ist es in unsern Tagen, daß jede Kunst, die doch eigentlich nur zuerst für die Lebenden wirken soll, sich, insofern sie tüchtig und der Ewigkeit werth ist, mit der Zeit im Widerspruch befinden und daß der ächte Künstler oft einsam in Verzweiflung lebt, indem er überzeugt ist, daß er das besitzt und mittheilen könnte was die Menschen suchen.

Wir sind darin mit Ihnen einverstanden, daß der Musik zuerst und allein durch den Kirchengesang zu helfen sey und daß für ein Gouvernement selbst in[151] jedem Sinne nichts wünschenswerther seyn müßte als zugleich eine Kunst und höhere Gefühle zu nähren und die Quellen einer Religion zu reinigen, die dem Gebildeten und Ungebildeten gleich gemäß ist. Sie haben hierüber sich schön und bündig ausgedrückt, daß man nichts hinzusetzen wüßte.

Nun wollten wir aber der Wirkung willen Ihnen ans Herz legen, daß Sie womöglich die Opposition, in der Sie mit der Zeit stehen, verbärgen, auch überhaupt mehr von den Vortheilen welche Religion und Sitten aus einer solchen Anstalt ziehen, als von denjenigen sprächen welche die Kunst zu erwarten hat. Zu dem Guten, von dem wir überzeugt sind, die Menschen zu bewegen, dürfen wir uns nicht unserer Argumente bedienen, sondern wir müssen bedenken, was ohngefähr die ihrigen wären.

Heute sage ich nicht mehr, damit gegenwärtiges, das ich schon so lange verschoben, fortkomme. Der Aufsatz liegt bey, den ich mir habe abschreiben lassen, um ihn manchmal wieder zu lesen und solchen Freunden mitzutheilen, die sich daran erquicken.

Wie sehnlich wünschte ich Sie in dem Wirkungskreise zu sehen, außerhalb dessen Sie, wie ich wohl fühle, nicht zufrieden leben können.

Haben Sie irgend eins meiner, oder eines Freundes Lieder componirt, so bitte ich mir solche gefällig zuzusenden. Es ist zwar jetzt alles ton- und klanglos um mich her, aber was von Ihnen kommt, verschaffe [152] ich mir doch zu hören und ich fühle mich wieder auf eine ganze Zeit erfrischt.

Noch darf ich nicht vergessen, daß Sie in Berlin die Acquisition eines sehr interessanten Mannes gemacht haben, es ist Herr Doctor Tralles, Neufchatel. Seine Cultur ruht auf mathematischem Grund und Boden, auch ist er in physischen und naturhistorischen sehr bewandert und ein durchaus heller und freyer Kopf. Ich habe ihm empfohlen Sie aufzusuchen und ersuche Sie nun um das Gleiche. Es sollte mich wundern, wenn Sie nicht mit ihm in ein schönes Verhältniß kommen können.

Leben Sie recht wohl und gedenken mein und schreiben mir bald wieder.

W. d. 13. Juli 1804.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek