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An Friedrich Theodor von Müller
Wenn schon Ew. Hochwohlgeboren dießmal nicht ganz aus freyem frohen Willen sich in München befinden, [128] so begrüße doch Dieselben daselbst auf's beste und wünsche Glück, daß Sie in dem Falle sind, Ihro Majestät dem Könige persönlich lebhaft unsern Dank auszusprechen; auszudrucken, wie sehr wir empfinden, daß er durch theilnehmende Gnade unser Thun und Streben auf's innigste und kräftigste gefördert und seinen so großen und herrlichen Wirkungskreis auf's neue weit und würdig ausgebreitet hat.
Durchdringen Sie sich von allem dem was dort geschieht, damit wir in der Ferne immer mehr einen klaren gründlichen Blick dorthin wenden, wo so vieles geschieht was den größten Einfluß aus unsre hochbewegte Zeit hat und haben muß. Gar manches vernahm ich durch Vermittlung Zelters und anderer Freunde, und nun hoffe ich durch Sie, mein Theuerster, eine recht vollständige Erfüllung. Können Sie mir das auf einem Beyblättchen bezeichnete Werk gefällig mitbringen, so geschieht mir ein großer Dienst; ich habe solches durch den Buchhandel bisher nicht erhalten können.
Übrigens war diese Tage her Ihre Gegenwart durchaus vermißt: die Herren Zelter und Hegel, der junge Meyer und sonstige bedeutende Gäste hätten durch Ihre Gegenwart an Unterhaltung auf jede Weise gewonnen und dagegen auch manches wieder zu Gute gegeben. Wenn nun aber zuletzt Graf Reinhard mit Gattin und Sohn aus Norden eintraf, so ward der Mangel Ihrer Gegenwart erst besonders fühlbar. [129] Ihre Frau Gemahlin wird freundlich berichten, wie es bey dem frohen, leider einzigen Mittagsmahl zugegangen. Vater und Sohn haben zu Gattin und Stiefmutter ein gar zartes liebevolles Verhältniß, das sie alle Unbilden einer schweren und gefährlichen Reise gefaßt übertragen ließ. So hat auch das Kleeblatt bey Hof und durchaus den besten Eindruck gemacht. Ich habe nicht zu sagen, daß die Dame sich in Heiterkeit und Anmuth immer gleich bleibt und aus jede Umgebung günstig wirken muß.
Die zweyte Lieferung meiner Werke ist, wenigstens in Aushängebogen, angelangt; neue Forderungen aber entwickeln sich täglich; ein Heft von Kunst und Alterthum bereite vor, es soll mich freuen, wenn Sie mir irgend etwas auch zu diesem Zwecke von Süden zurückbringen. Hofrath Meyer ist wohl und munter aus dem Vaterlande in Weimar gern und mit Vergnügen eingetroffen; er gesteht, daß er sich dort wie ein erwachender Epimenides gefühlt, und ob er gleich alles lebendig, thätig und bestrebsam gefunden, doch gern in das Thüringen zurückgekehrt sey, wo das Industrielle zwar auch in Ehren, aber doch vom Geiste einigermaßen im Gleichgewicht gehalten wird.
Zwey Übersetzungen der Verlobten beschäftigen mich und Riemern an den herkömmlichen Abenden; wir vergleichen sie mit dem Original, welches durch diese Folien erst recht in seinen höchsten Glanz hervorgehoben wird. Von wieviel andern Dingen hätte[130] ich nicht noch zu sprechen; da möge denn auch für die Rückkehr manches aufbewahrt seyn.
Gibt es die Gelegenheit, so wünscht ich, Sie gäben eine meiner Medaillen an Herrn v. Martius mit meinen besten Grüßen. Durch eine wunderliche Complication hat, soviel ich weiß, dieser werthe Mann noch keine derselben empfangen, da sie ihm doch unter den ersten zugedacht war.
Nun aber, indem ich schließe, muß ich vermelden, daß Ottilie sich noch in demselben Zustand befinde, wie Sie solche verlassen haben. Vor alten Zeiten behauptete man, auf eine so langsame Weise würde sich der Antichrist in die Welt schleichen, und mir scheint bedenklich, daß das rationalistische Weimar sie in diesem Augenblick mit noch größerm Unheil bedrohen dürfte.
Möge allen alles gelungen seyn, wenn wir uns wiedersehen.
Eiligst wie treulichst
J. W. v. Goethe.
Schließlich bemerke noch ausgesprochener als im Vorigen: daß es sehr schön wäre wenn Sie mir eine Correspondenz daselbst in literarisch-artistischem Sinne einleiten könnten; was vor Weihnachten anlangt, kann in das nächste Stück von Kunst und Alterthum aufgenommen werden. Es sollte mich freuen, etwas Angenehmes dorthin zurückklingen zu lassen.
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