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An den Großherzog Georg Friedrich CarlJoseph von Mecklenburg-Strelitz
Es war gewiß der liebenswürdigste Originalgedanke, mich in so hohen Jahren durch einen altgewohnten [307] Glockenton an die ersten Stunden kindlichen Bewußtwerdens zu erinnern, wo das in gar manche Schalen eingewickelte Leben unter wundersamen Ahnungen des Zukünftigen harrte. Zugleich aber verleihen jene Töne den höchst angenehmen Eindruck, daß Euer Königliche Hoheit sich auch jüngerer hoffnungsvoller Jahre dabey erfreuten; und so wird ich nicht nur dadurch in jene Räume als in einen Familienaufenthalt versetzt, sondern bey jedem Stundenschlage hab ich mitzuempfinden: daß Höchst Dieselben auch hiernach Morgende und Abende Ihrer Jugend gezählt.
Euer Königliche Hoheit würden einen so schönen und schwer auszuführenden Gedanken nicht gefaßt haben, wenn Höchst Dieselben nicht vorempfunden hätten, mit welchem Entzücken ich dadurch beseligt werden müßte. Ebenmäßig wird auch mein Dank, in den wenigsten Worten ausgesprochen, von Höchst Denenselben mit- und nachempfunden werden.
Fügt sich nun zu allem diesen hinzu, daß eien so bedeutende Gabe mich in den traurigsten Tagen aufsucht und bey dem tiefstempfundenen Verlust mir auf das klarste beurkundet, wieviel Wohlwollen für mich noch auf der Erde lebt und welch ein herrlicher Antheil daran mir noch immer vorbehalten bleibt, so steigert sich der Werth des Geschenks in's Unendliche.
Hier sey mir aber vergönnt zu schließen, in der Überzeugung, daß sich Höchst Dieselben den besten und vollständigsten Commentar zu diesem wenigen Texte [308] auszubilden im Falle sind. Möge sich alles Gute um den verehrt-geliebten Fürsten versammeln, und der reine Antheil, den er in Freud und Leid den Seinigen zuwendet, ihm selbst die vollkommenste Belohnung seyn.
Verzeihung der fremden Hand! Die meine will nicht mehr fördern. Geschlossen an einem Tage, der uns bisher so festlich gewesen und nunmehr trüb und freudlos erscheint.
Verehrend, Vertrauend
treu angehöriger Diener
J. W. v. Goethe.