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An Friedrich August Wolf

Ob ich mich gleich noch nicht als rüstig ankündigen kann, so finde ich mich schon glücklich, Ihnen nach meinem letzten Unfall wieder ein vorläufiges Wort sagen zu können. Ihr lieber Brief war mir eine rechte Erquickung. Ich erhielt ihn, als ich mich schon auf dem Wege der Besserung befand. Die Hoffnung Sie und Ihre liebe Tochter auf Pfingsten bey uns zu sehen, wird meine völlige Genesung beschleunigen. Bleiben Sie ja bey diesem schönen Plan, wer weiß was sich noch alles daraus entwickeln kann.

[259] Hierbey folgen Winckelmanns Briefe, der Versuch einer Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts bis auf wenige Bogen, und ein Aufsatz von Meyern, der Winckelmannen als Beförderer einer ächten alterthümlichen Kunstkenntniß darstellt. Möchten Sie doch auch geneigt seyn, nach unserer früheren Abrede, noch einiges von der philologischen Seite hinzuzuthun. Ich bereite mich vor, auch von meiner Seite ihn als Menschen zu schildern.

Die Aufgabe bey dieser Gelegenheit für Ihr Fach, welches Sie selbst am vollkommensten übersehen, werden Sie sich selbst am vollkommensten entwerfen können. Der Zustand der Philologie im allgemeinen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, als der Bildungszeit Winckelmanns. Etwas über den Zustand der Schulen und Academien in jener Zeit, um auszumitteln, was denn wohl Winckelmann, bey seinen sehr zerstückten und zerstreuten academischen Studien, allenfalls für Sprach- und Alterthumskenntnisse erwerben konnte. Betrachtungen über den Gebrauch, den man in philologischen Kenntnissen zu jener Zeit machte, welchen Zwecken, biblischen etc. man sie haupsächlich widmete. Wie es mit den äußern Hülfsmitteln aussah, deren Kenntniß und Handhabung sich Winckelmann, während seiner Bibliothecariats Zeit und Nöthenitz, erwerben konnte, als Ausgaben, Commentarien u.s.w. Und welche Zeugnisse seiner Ausbreitung, besonders über griechische [260] Literatur, seine Werke geben. Wie ihm die Auslegung und Verbesserung einzelner Stellen geglückt und ob ihm das literarische Alterthum auch einiges schuldig sey, da ihm das plastische soviel schuldig geworden.

Dieses sieht freylich etwas weitläuftig aus; allein wenn Sie aus dem großen Vorrath Ihrer Kenntnisse und Einsichten, nur aphoristisch über dieses und jenes sich erklären mögen; so werden Sie unsern kleinen Arbeiten dadurch eine sehr ehrenvolle Krone aufsetzen.

Lassen Sie mir bald, wenigstens ein vorläufiges Wort von sich hören, das mir Muth mache, in meinem reconvalescirenden Zustande auch an mein Pensum zu gehen.

Bis zur Empfänglichkeit habe ich es schon wieder gebracht, lesen kann ich und Theilnehmen; aber das Zusammenfassen und Reproduciren ist freylich eine höhere Forderung.

Ich erbitte mir sowohl das geheftete Bändchen, als die Meyersche Schrift bald wieder zurück; Ersteres, um Ihnen ein vollständiges Exemplar dagegen zu senden, sobald der Druck vollendet ist, das zweyte, weil wir keine Abschrift davon besitzen.

Dabey bitte ich inständig Niemanden, weder das Gedruckte, noch das Geschriebene sehen zu lassen. Die Freybeuterey ist gar zu geschäftig.

Zum Schluß empfehl' ich Ihnen und Ihrer lieben Tochter mich und die meinigen zum besten. Zu [261] Pfingsten soll Haus und Herz geschmückt seyn, Sie aufs freundlichste zu empfangen und wir wollen die möglichst Sorgfalt anwenden bis dahin wieder gesund und rüstig aufzutreten. Alles Gute und Förderliche wünschend.

W. d. 25. Febr. 1805.

Goethe.

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