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An Michael Salom
Auf Ihr gefälliges Schreiben, dem Sie eine Probe der Überzeugung meines Werthers beyfügten, und welches schon eine ganze Zeit bey mir liegt, hätte ich früher antworten sollen. Vergeben Sie diesen Aufschub meiner Laage, die mich oft hindert, das gegen Auswärtige zu thun, was ich mir sonst für Pflicht achte.
Ihre Übersetzung habe ich mit Vergnügen gelesen und daraus gar leicht gesehen, daß Sie meine kleine Schrift und ihre Absicht wohl verstanden haben, und ich glaube Ihnen meine Dankbarkeit für Ihre Bemühung nicht besser bezeigen zu können, als wenn ich mich erbiete Ihr Manuskript durchzugehen, über einzelne Stellen meine Gedanken zu sagen und Ihnen [266] zu überlaßen was Sie alsdann davon brauchen wollen. Solches zu thun, würde ich mich, bey meiner wenigen Kenntniß der italiänischen Sprache, nicht wagen, wenn ich nicht einen Gelehrten um mich hätte, der selbst in Italien lange gewesen, der, nach seiner Rückkunft, sich das Studium der Sprache jederzeit angelegen seyn lassen, und der selbst den Werther zu übersezen einen Versuch gemacht. Wenn Sie selbst gegen wärtig wären, so brauchte es vielleicht dieses dritten Mannes nicht, ohne den ich aber in der Entfernung Ihnen nicht nüzlich seyn zu können glaube. Sobald ich Ihre Übersezung erhalte, will ich einige freye Stunden, deren mich der nächste Sommer hoffen läßt, solange dazu widmen biß ich diesem Versprechen, soviel möglich Genüge thue.
Die Vorliebe die ich für Ihre Sprache habe, macht mir es wünschenswerth, diejenigen Gedanken und Empfindungen, die ich im deutlichen auszudrücken und zu verbinden gesucht in ihr, in einer für mich neuen und überraschenden Gestalt wieder zu erblicken. Leben Sie wohl und behalten Sie lange in allen Ihren Geschäften die Munterkeit und den Muth, die nöthig waren, eine Schrift zu übersezen, der ich einen so großen Werth wünschte, als Schwierigkeiten bei dieser Arbeit sind. Weimar d. 20. Febr. 1782.
Goethe. [267]