Vierzehnter Auftritt
Alcest, hernach Söller.
ALCEST
wirft sich in Sessel.
Nun, Herr Alcest, wie steht's! nun wärst du ziemlich klüger!
Der Vater und Sophie! Und eins ist der Betrüger.
Doch sind sie beide sonst beständig, treu und rein!
Ha! Söller! Dieser Kerl! Doch nein, es kann nicht sein!
Er war die ganze Nacht nicht hier im Haus. Vor allen
Wär mir der dumme Kerl verdächtig eingefallen.
Er ist am fähigsten zu Bosheit, Trug und List;
Allein, ich glaube kaum, daß er der Täter ist.
SÖLLER
in gewöhnlicher Kleidung, mit einer Weinlaune.
Da ist er! Uh! Mir ist kein Mensch verhaßt wie dieser!
Es steht ihm an der Stirn: Hirschapotheksproviser.
[56]ALCEST
im Sessel gleichgültig munter, vor sich.
Da kommt er eben recht. Wie steht's, Herr Söller?
SÖLLER.
Dumm!
Es geht mir die Musik noch so im Kopf herum.
Er reibt sich die Stirne.
Er tut mir greulich weh.
ALCEST.
Sie waren auf dem Balle!
Viel Dames da?
SÖLLER.
Wie sonst! Die Maus läuft zu der Falle,
Weil Speck dran ist.
ALCEST.
Ging's brav?
SÖLLER.
Gar sehr!
ALCEST.
Was tanzten Sie?
SÖLLER.
Ich hab nur zugesehn!
Zum Parterre.
Den Tanz von heute früh.
ALCEST.
Herr Söller, nicht getanzt! ei, das ist zu verwundern,
Da blieb' ich lieber weg.
SÖLLER.
Ich wollte mich ermuntern.
ALCEST.
Und ging es nicht?
SÖLLER.
Eh nein! Im Kopfe drückt' es mich
Gewaltig, und da war mir's gar nicht tänzerlich.
ALCEST.
Ei!
SÖLLER.
Und das schlimmste war, ich konnte gar nicht wehren.
Je mehr ich hört und sah, verging mir Sehn und Hören.
ALCEST.
So schlimm! Das ist mir leid. Das Übel kömmt geschwind.
SÖLLER.
O nein, ich hab es schon – seitdem Sie bei uns sind,
Und länger.
ALCEST.
Sonderbar.
SÖLLER.
Und ist nicht zu vertreiben.
ALCEST.
Ei, laß Er sich den Kopf mit warmen Tüchern reiben;
Vielleicht verzieht es sich!
SÖLLER
vor sich.
Ich glaub, er spottet noch.
Laut.
Ja, das geht nicht so leicht.
[57]ALCEST.
Am Ende gibt sich's doch.
Und sieht Er, es ist Ihm zur wahren Strafe kommen,
Er hat die arme Frau nicht einmal mitgenommen,
Wenn Er zum Balle ging! Und das ist doch nicht fein,
Er läßt der jungen Frau das kalte Bett allein.
SÖLLER.
O Herr, sie plagt mich gnug. Doch man ist's nicht imstande,
Da würde Herkules zum Schelmen hierzulande.
Und sie hat's nicht so schlimm; denn wer das Naschen liebt,
Der merkt sich ohne Wink, wo's was zum besten gibt.
ALCEST
pikiert.
Wie so verblümt.
SÖLLER.
Es ist ganz deutlich, was ich meine.
Exempli gratia! Des alten Vaters Weine
Trink ich recht gern, allein, er rückt nicht gern heraus.
Er schont das Seinige; da trink ich außerm Haus.
ALCEST
mit Ahndung.
Mein Herr, bedenken Sie!
SÖLLER
mit Hohn.
Herr! Freund von Frauenzimmern!
Sie ist nun meine Frau, und kann Sie nichts bekümmern,
Und wenn sie noch ihr Mann für sonst was anders hält.
ALCEST
mit zurückgehaltnem Zorn.
Was Mann! Mann oder nicht; ich trutz der ganzen Welt!
Und unterstehn Sie sich noch einmal, was zu sagen! –
SÖLLER
geschreckt, vor sich.
O schön, ich soll ihn wohl noch gar am Ende fragen,
Wie tugendhaft sie ist.
Laut.
Mein Herd bleibt doch mein Herd!
Pest jedem fremden Koch!
ALCEST
mit Verachtung.
Er ist der Frau nicht wert.
So schön, so tugendhaft, so vielen Reiz der Seele,
Soviel Ihm zugebracht! Es ist nichts, was ihr fehle.
SÖLLER.
Sie hat, ich hab's gemerkt, besondern Reiz im Blut.
Und auch der Kopfschmuck war ein zugebrachtes Gut.
Ich war prädestiniert zu einem solchen Weibe,
Und zwar zum Hahnrei schon gekrönt in Mutterleibe.
[58]ALCEST
herausbrechend.
Herr Söller!
SÖLLER.
Soll er was?
ALCEST
zurückhaltend.
Ich sag Ihm, sei Er still.
SÖLLER.
Ich will doch sehn, wer mir das Maul verbieten will!
ALCEST
grimmig.
Hätt ich Ihn anderswo, ich wies' Ihm, wer es wäre.
SÖLLER
trocken.
Der beste Champion für meines Weibes Ehre.
ALCEST
wie oben.
Gewiß!
SÖLLER.
Es weiß kein Mensch so gut, wie weit sie geht.
ALCEST
vor sich.
Verbeiß!
SÖLLER.
O Herr Alcest, wir wissen ja, wie's steht.
Nur still, ein bißchen still! wir wollen uns vergleichen.
Und da versteht sich's schon. Die Herren Ihresgleichen,
Die schneiden meist für sich das ganze Kornfeld um
Und lassen dann dem Mann das Spizilegium.
ALCEST.
Mein Herr, ich wundre mich, daß Sie sich unterfangen!
SÖLLER.
Oh, mir sind auch gar oft die Augen übergangen;
Und täglich ist mir's noch, als röch ich Zwiefeln.
ALCEST
zornig und entschlossen.
Wie?
Mein Herr, nun geht's zu weit. Heraus! Was wollen Sie.
Was, glauben Sie, vermag Sophiens Ehr zu rauben!
SÖLLER
in gleichem Ton.
Eh, Herre, was man sieht, das geht noch übers Glauben.
ALCEST
wie oben.
Wie, sieht! Wie nehmen Sie das Sehen!
SÖLLER
wie oben.
Wie man's nimmt.
Vom Hören und vom Sehn.
ALCEST
zusammenfahrend, wie über einen Gedanken.
Ha!
SÖLLER.
Nur nicht so ergrimmt!
ALCEST
mit dem entschlossensten Zorne.
Was haben Sie gehört! Was haben Sie gesehen!
SÖLLER
erschrocken, will sich wegbegeben.
Erlauben Sie, mein Herr!
ALCEST
ihn zurückhaltend.
Wohin!
[59]SÖLLER.
Beiseit zu gehen.
ALCEST
wie oben.
Sie kommen hier nicht los.
SÖLLER
vor sich.
Ob ihn ein Teufel plagt.
ALCEST
wie oben.
Was hörten Sie?
SÖLLER.
Ich? Nichts! Man hat mir's nur gesagt.
ALCEST
dringend zornig.
Wer war der Mann?
SÖLLER.
Der Mann, der war ein Mann –
ALCEST
heftiger und auf ihn losgehend.
Geschwinde.
SÖLLER
mit Angst.
Der's selbst mit Augen sah!
Herzhafter.
Ich rufe dem Gesinde!
ALCEST
kriegt ihn beim Kragen.
Wer war's?
SÖLLER
mit dem Auffahren eines zu sehr Bedrückten und will sich losreißen.
Was Hölle!
ALCEST
hält ihn fest und droht.
Wer! Sie übertreiben mich.
Er zieht den Degen und hält Söllern feste.
Wer ist der Bösewicht, der Schelm, der Lügner?
SÖLLER
fällt für Angst um und aufs eine Knie.
Ich!
ALCEST
in obiger Stellung.
Ah!
SÖLLER.
Stecken Sie nur ein!
ALCEST.
Bekannt!
SÖLLER.
Uh! Gnade! Gnade!
Der Teufel könnte ja sein Spiel da haben!
ALCEST
wie oben.
Schade
Wär's um den schönen Herrn! Nun, junger Herr!
SÖLLER.
ALCEST
drohend.
Doch auf dem Ball!
SÖLLER.
Aus guter Absicht zwar –
ALCEST.
Auf die Schatulle. Hm! Auf meinem Zimmer! Raben
Und Dohlen wollt ich eh in meinem Hause haben
Als ihn. Pfui.
Er stößt ihn weg, entfernt sich und steckt den Degen ein.
[60]SÖLLER
aufgestanden und herzhaft.
Nehmen Sie's nur nicht so gar genau.
Ich stahl dem Herrn sein Geld und er mir meine Frau.
ALCEST
drohend.
Was stahl ich.
SÖLLER.
Nichts, mein Herr, es war schon längst Ihr eigen.
Noch eh es meine war.
ALCEST.
Soll!
SÖLLER.
Da muß ich wohl schweigen.
ALCEST.
An Galgen mit dem Dieb!
SÖLLER.
Da fällt mir etwas ein!
Sie gehn par compagnie mit auf den Rabenstein.
ALCEST.
Herr Söller!
SÖLLER.
Das Gesetz hilft auch euch Herrn vom Brote.
Er macht ein Zeichen des Köpfens.
ALCEST.
Oh, übers alte Zeug, in praxi ist's nicht Mode.
Gehangen werden Sie, zum wenigsten gestäupt!
SÖLLER
zeigt die Stirne.
Gebrandmarkt bin ich schon.